Kern der Digitalisierung der Industrie ist die sogenannte IT/OT-Integration, bei der Maschinen, Anlagen und Peripheriegeräte aus der Betriebstechnologie (OT, Operational Technology) mit ERP-Anwendungen und anderer Software aus der IT vernetzt werden. Ein Beispiel dafür ist die hochspezialisierte Leiterplattenfertigung der KSG GmbH, einem führenden europäischen Hersteller dieser Branche. Das Unternehmen hat zusammen mit Schaeffler Digital Solutions eine IoT-Lösung entwickelt, die alle typischen Anforderungen an IT/OT-Integration erfüllt und eine skalierbare, zukunftsfähige Dateninfrastruktur ermöglicht.
Die Herausforderung: Heterogene Systeme und hohe Komplexität
Die KSG GmbH hat wie viele produzierende Unternehmen eine heterogene Maschinenlandschaft mit Steuerungen unterschiedlicher Hersteller. Diese Vielfalt erschwert die IT/OT-Integration erheblich. Darüber hinaus wollte die KSG zusätzliche Informationen an die Steuerungssysteme übertragen.
In der Leiterplattenproduktion laufen komplexe chemische Prozesse, die exakte Parameter erfordern. Jede Abweichung führt schnell zu Ausschuss oder zu ganzen fehlerhaften Chargen. Gleichzeitig waren die bestehenden Systeme kaum skalierbar. Individuelle Anbindungen, nicht standardisierte Datenbezeichnungen und der hohe Pflegeaufwand erschweren eine zentrale Auswertung der Produktionsdaten.
Die KSG wünschte sich eine integrierte, zukunftsfähige Lösung für die datengestützte Fertigung mit den folgenden Eigenschaften:
- Niedriger manueller Aufwand
- Einfache IT/OT-Integration
- Basis für durchgängige Prozesse
- Eine zentrale Datenstruktur
- Automatisierte Parametersteuerung
- Basis für durchgängige OEE-Auswertung und Predictive Maintenance
Herausforderungen im Überblick:
- Heterogene Maschinen erschweren IT/OT-Integration
- Manuelle Datenverarbeitung und hoher Aufwand
- Fehlende Transparenz bei Prozessparametern
- Nicht skalierbare Systemstrukturen erschweren Analyse
Die Lösung: Zentrale Plattform für die IT/OT-Integration
In Zusammenarbeit mit Schaeffler Digital Solutions entwickelte die KSG eine Architektur auf Basis der Plattform autinityDAP. Die Anwendung ermöglicht die Vernetzung unterschiedlicher Maschinen, Steuerungen und Sensoren. Sie stellt diese zentral bereit, sodass Drittsysteme über eine offene Schnittstelle auf die Daten des Verbundes zugreifen können.
IT/OT-Integration mit autinityDAP
Als Einstieg in die IT/OT-Integration wählten die beiden Geschäftspartner autinityDAP Starter, um mit überschaubarem Aufwand erste Maschinen anzubinden und die Plattform in bestehende Systeme zu integrieren. Spezielle Edge-Devices erfassen sämtliche Maschinen- und Produktionsdaten. Sie senden die Daten, Messpunkte und Einheiten zu einer zentralen Software-Plattform. Innerhalb des Systems können weitere Apps ausgerollt werden, auch Lösungen von Drittanbietern oder Eigenentwicklungen.
Möglich macht dies die offene, containerbasierte Architektur des Systems. Dabei wird jede Anwendung innerhalb eines sogenannten Containers „eingekapselt“, sodass sie unabhängig von anderen arbeiten kann. Vereinfacht ausgedrückt: jede Container-Anwendung bringt alle Ressourcen mit, die sie für ihre Arbeit benötigt. Dadurch können Anwendungen in großer Zahl gestartet werden, was die Anpassung an wachsende Leistungsforderungen erleichtert.
Erprobte Technologie mit Entwicklungspotenzial
Ein weiterer Vorteil der Plattform ist die einheitliche Dateninfrastruktur, die sehr viele bekannte Industrieprotokolle unterstützt. Dazu gehören unter anderem OPC UA, MQTT und Profinet. Die Plattform hat darüber hinaus die folgenden Komponenten:
- Die Central Tech Library ist das zentrale Datenmodell für die IT/OT-Integration und definiert für jede angeschlossene Maschine standardisierte Bezeichnungen und Strukturen – sogenannte Tags.
- Gespeichert werden die Maschinendaten in einer PostgreSQL-Datenbank. Dabei handelt es sich um eine Open-Source-Lösung, ein Hersteller-unabhängiges Datenbanksystem nach dem SQL-Standard.
- Die Maschinen- und Prozessdaten werden mit Node-RED Das ist ein Low-Code-Entwicklungstool für visuelle Programmierung. Es ist spezialisiert auf die individuelle Vernetzung von Hardwaregeräten, APIs und Online-Diensten im IoT.
- Letztendlich werden die Daten mit Grafana Die Open-Source-Webanwendung arbeitet interaktiv und kann flexible Diagramme und Grafiken erzeugen.
Mit Open-Source-Software (OSS) fallen keine zusätzlichen Lizenzkosten für proprietäre Tools an. Alle Interna und Schnittstellen der genutzten Software sind offengelegt. Dadurch lässt sich die immer öfter geforderte digitale Souveränität gewährleisten.
IT/OT-Integration: Automatisiert und ausfallsicher
Die Lösung dokumentiert den Zustand der Maschine während ihrer Laufzeit und bereitet ihn visuell auf. Stillstände, Fehlerzustände oder Wartungsphasen werden auf einen Blick erkennbar und systematisch analysierbar. Dabei stehen zwei Anwendungsfälle für IT/OT-Integration im Vordergrund: das strukturierte Erfassen von Maschinendaten und das automatisierte Schreiben von Produktionsparametern aus dem ERP in die SPS.
Ein falscher Parameter kann die Produktion erheblich stören. Die Lösung verhindert das und erhöht die Prozesssicherheit. Die Anwendung sucht für jede Leiterplatte passende Daten aus dem ERP-System und übergibt sie an die Steuerung. Das verhindert Bedienfehler und sichert gleichbleibende Qualität.
Ein weiterer Vorteil der Plattformlösung: die einheitliche Datenbasis ermöglicht es, die Gesamtanlageneffektivität (OEE, Overall Equipment Effectiveness) zu berechnen. Diese Kennzahl setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Verfügbarkeit, Leistung und Qualität. Sie identifiziert Schwachstellen in den Prozessen und bewertet die Produktivität der Anlagen.
Das Ergebnis: Technologie aus der Praxis für die Praxis
autinityDAP von Schaeffler Digital Solutions geht über die IT/OT-Integration hinaus. Es umfasst praxisbewährte Lösungen, die in Schaeffler-Werken erprobt wurden und macht diese auch externen Kunden zugänglich. KSG erhält damit Zugang zu einem ausgereiften System, das den Bedarf von Unternehmen der industriellen Produktion erfüllt.
Die Lösung passt sich dank ihrer offenen Architektur flexibel an und wächst mit. Neue Maschinen oder ganze Produktionslinien lassen sich mit geringem Aufwand in bestehende Anlagen einbinden. Die Infrastruktur bleibt offen für individuelle Erweiterungen, weil die containerbasierte Architektur den sicheren Betrieb zusätzlicher Anwendungen ermöglicht.
Dabei handelt es sich nicht um eine Lösung von der Stange. Bereits während der Erprobungsphase flossen die gewonnenen Erkenntnisse in die Weiterentwicklung der Plattform ein. Dadurch erschließen die beiden Unternehmen neue Use Cases und automatisieren sämtliche Prozesse kontinuierlich.
Das Projekt zeigt, wie sich Digitalisierung in der Fertigung strukturell verankern lässt. Ein einheitliches, skalierbares Dateninfrastruktur-Konzept, standardisierte Informationen und eine enge Verzahnung von IT und OT schaffen die Basis für datengetriebene Entscheidungen und effiziente Prozesse.
Ergebnisse im Überblick:
- Automatisierte Steuerung von Produktionsparametern
- Einheitliche Datenbasis für OEE-Analyse
- Reduzierung manueller Fehlerquellen
- Flexibel skalierbare und modulare Infrastruktur
