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Digitaler Zwilling Volkswagen Sachsen GmbH: Einheitliche Datenmodelle schaffen Transparenz & Energiemonitoring

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IoT Use Case Podcasr 'Folge 80, mit IDTA und Volkswagen Sachsen Gmbh Live auf der SPS

Volkswagen Sachsen GmbH treibt wichtige Meilensteine in Sachen Elektromobilität und Digitalisierung voran. Ein großer Meilenstein ist der Aufbau eines digitalen Anlagenzwillings, um die größten (Energie-)Verluste in Prozessen der Fertigung zu identifizieren. Mit dieser Challenge sind sie nicht allein: Als eines der über 80 Mitglieder der Industrial Digital Twin Association e. V. (IDTA) standardisieren sie den digitalen Zwilling der Produktion. 

Folge 80 auf einen Blick (und Klick): 

[07:38] Herausforderungen, Potenziale und Status quo – So sieht der Use Case in der Praxis aus

[13:40] Lösungen, Angebote und Services – Ein Blick auf die eingesetzten Technologien

[21:47] Ergebnisse, Geschäftsmodelle und Best Practices – So wird der Erfolg gemessen

Zusammenfassung der Podcastfolge

Diese Special-Folge LIVE von der SPS in Nürnberg dreht sich um den Digitalen Zwilling als Schlüsseltechnologie der Industrie 4.0. Der Digitale Zwilling verbindet physische Industrieprodukte mit der digitalen Welt. Für die erfolgreiche praktische Umsetzung und die internationale Verbreitung dieser Kerntechnologie ist ein gemeinsames Verständnis aller Beteiligten in Industrie, Verbänden und Forschung notwendig. Dieser Aufgabe hat sich die IDTA angenommen.

Fertigungslandschaften – so auch bei Volkswagen Sachsen GmbH – sind geprägt von Neu- und Bestandsanlagen mit unterschiedlichstem Vernetzungsgrad. Um eine energiebedarfsgerechte Optimierung für das gesamte Werk durchzuführen, sind Daten aus vielen Anlagen und bisher die Umsetzung mehrerer Use Cases notwendig. Um Engineering-Aufwände zu sparen, braucht es ein Datenfundament mit gleichen Informationsmodellen für alle Geräte – Energieeffizienz durch Standards! Mit dem so genannten Asset Administration Shell (dt. Verwaltungsschale) eröffnet die IDTA als Nutzerorganisation diese Technologie nun für jedes Unternehmen.

Die Verwaltungsschale ermöglicht die Digitalisierung der energiebedarfsgerechten Produktion im Green- und Brownfield. Sie ist Informationsgrundlage für Digitale Zwillinge und kann im Rahmen der Energiebedarfsmessung Kosten im Shopfloor hinsichtlich Planung, Inbetriebnahme und Betrieb senken.

Doch was genau ist diese sogenannte Verwaltungsschale, wie funktioniert sie und welche Mehrwerte stiftet sie noch? Das erklären Dr. Christian Mosch (Geschäftsführer, IDTA) und Dr. Dirk Thieme (Head of New Mobility and Innovations, Volkswagen Sachsen GmbH) in Folge 80 des IoT Use Case Podcasts. 

Podcast Interview

Schlagwort IoT: Alle reden darüber – was bedeutet es aber konkret? Im Netzwerk wollen wir die Frage beantworten und Transparenz in den Markt bringen. Einerseits über Use Cases sprechen, die bereits einen monetären Mehrwert bringen. Best Practices, die man teilen kann. Und andererseits ein Stück weit Vertrauen in den Markt zurückzubringen und Partner hervorzuheben, die tolle Referenzen haben!

Von der Volkswagen Sachsen GmbH ist Dirk bei mir, zusammen mit Christian von IDTA, unser Partner rund um das Thema Standardisierung. Es geht um Digitale Zwillinge im Werk, und darum, einheitliche Datenmodelle zu schaffen, um die Vernetzung voranzutreiben und konkrete Use Cases umzusetzen, die Kosten im Werk einsparen. Und Christian, ihr kümmert euch als Verein rund um das Thema Software-Spezifikation mit dem Ziel, den Digitalen Zwilling zu standardisieren. Was ist eure Gründungsstory?

Christian

Das Thema Digitaler Zwilling ist schon eine längere Geschichte. Wenn man sich den Gründungszeitpunkt ansieht, das passt gut zum Standort hier: 2019 gab es die ersten Demonstratoren für einen Kernstandard eines Digitalen Zwillings. Zu Deutsch Verwaltungsschale oder Asset Administration Shell auf Englisch.
Insofern war das Jahr 2020 davon geprägt, dass eine Reihe von Firmen auf die Verbände VDMA und ZVEI zugegangen ist, gerade auf Initiative der Plattform Industrie 4.0. Das ja ist ein Ergebnis der ganzen Bewegung rund um Industrie 4.0. So ist es zum Projekt geworden. Dann suchten wir eine Reihe von Gründungsmitgliedern, um das Thema Standardisierung des Digitalen Zwillings mit der Verwaltungsschale voranzubringen. Wir hörten uns querbeet im VDMA und ZVEI um und suchten auch Endanwender. Dann fragte ich Dirk, hör mal, wollt ihr als Volkswagen nicht Gründungsmitglied bei der IDTA sein?
Lange Rede, kurzer Sinn: Gegründet im September 2020; operativ sind wir seitdem unterwegs. 23 Startmitglieder. Inzwischen 60 Firmen mehr. Ich freue mich auch, Dirk an der Seite zu haben.

Ihr arbeitet mit ganz unterschiedlichen Kunden zusammen – wer ist das? Klassisch Automotive?

Christian

Querbeet. Wir sind gestartet – gerade bei der Gründungshistorie – maschinenbaulastig und vor allem komponentenlastig aus der Automatisierungstechnik. Mittlerweile haben wir einen großen Zustrom auch von Softwareunternehmen. Auch gerade kleinere Softwareunternehmen machen bei uns inzwischen 30–40 Prozent der Mitglieder aus. Aber auch große Endanwender aus der Prozessindustrie fragen an. Auch aus dem internationalen Bereich.

Wir merken, es ist nicht unbedingt ein Branchenthema. Es trifft alle Industriebereiche. Die Technologie ist das, was unserer Kern-Knowhow darstellt. Da fragen die Firmen konkret an.

Wie habt ihr beide euch kennengelernt? »Hey Dirk, wir kennen uns aus dem Netzwerk, lass uns mal ein Projekt zusammen starten?«

Dirk

Ein Kollege von mir kannte Christian. Der ist in der OPC Foundation aktiv und hat den Kontakt recht schnell hergestellt. Ich habe mich mit Christian kurz zu den Zielen der IDTA ausgetauscht – und dann war für uns als Volkswagen klar, dass wir da mitmachen müssen. Nicht müssen, wir wollten! Das ist das Schöne an IDTA: Wir sind alle ein Club Gleichgesinnter, die man nicht überzeugen muss, sondern die aus Überzeugung dabei sind.

In unserer aktuellen Situation der digitalen Transformation und Produktion hat das Thema Informationsvernetzung über einen Digitalen Zwilling exakt reingepasst. Da war das eine schnelle Entscheidung mit unserem Produktionsvorstand im Konzern, die Gründungsurkunde mitzuunterschreiben. 

Dem oder der ein oder anderen werden Asset Administration Shell oder Verwaltungsschale schon etwas sagen. Aber kurz, was ist eure Vision und die Zielsetzung?

Christian

Fangen wir mit der Herausforderung an, denn daraus leitet sich ein Ziel ab: Digitale Zwillinge haben wir ja im Grunde schon lange. Für jeden Lebenszyklus in der Entwicklung, bei der Inbetriebnahme, im Betrieb selbst oder auch beim Recycling von Produkten. Die Herausforderung war, wie kriegt man die Digitalen Zwillinge entlang dieses gesamten Lebenszyklus überhaupt interoperabel? Wie kriegt man die gesamten Informationen überhaupt administriert? Deswegen »Asset Administration Shell«.

Die zweite Herausforderung ist, wie bekommt man eigentlich die ganzen Unternehmen auch im Wertschöpfungsnetzwerk miteinander in den Austausch? Dann kommt man sehr schnell zum Thema Standardisierung.

Unser Ziel ist es tatsächlich, Zwillinge untereinander interoperabel und damit ein Stück weit auch austauschbar zu machen.

Deswegen sehen wir auch die ganzen Logos hier – ihr seid nicht allein. Es geht am Ende um die herstellerübergreifende Vernetzung. Jeder kennt es: Man hat einen heterogenen Shopfloor. Es ist nicht nur ein Siemens oder Schneider Electric. Sondern ein heterogenes Feld.

Wir wollen über konkrete Use Cases sprechen. Um euch ein bisschen einzuordnen – welche Use Cases adressiert ihr bei IDTA?

Christian 

Wir haben eigentlich eine ganze Reihe von Use Cases bei IDTA. Das ist von Feingranular bis zu großen Themen. Wir haben 20 Use Cases, die wir sehr intensiv betreuen. Um auf die Top 3 zu sprechen zu kommen: Der Digitale Produkt Pass. Das ist etwas, wo wir sagen, die Lebenslaufakte wird es in Zukunft geben. Aber auch da braucht es einen Standard, damit man entlang dieses Lebenszyklus etwas abbilden kann.

 

Das Zweite betrifft eigentlich alle Firmen, gerade auch auf Management-Level: CO2. Das heißt, der Product Carbon Footprint für das Produkt. Ein Produkt entsteht ja in der Produktion schon, unter anderem. Der muss ermittelt werden. Damit das über die gesamten Gewerke funktioniert, brauchen wir den Standard. Wir wollen sagen können, diese Lösung kann schon der Standard sein. Und am Ende des Tages, um auf CO2 zu kommen, muss man erst mal auch die Energiebilanzen messen können – also Energy Monitoring. Deswegen, der Titel heute ist der gemeinsame kleine Baustein. Damit kann man viel vom gesamten Konstrukt schon auflösen.

Herausforderungen, Potenziale und Status quo - So sieht der Use Case in der Praxis aus [7:38]

Dirk, lass uns mal mit eurem Projekt starten. Es geht um das Thema Energie-Monitoring. Da spielen natürlich CO2-Daten beispielsweise eine Rolle. Was ist die konkrete Vision von Volkswagen Sachsen GmbH an der Stelle, insbesondere in Richtung Digitalisierung?

Dirk

Es ist nicht nur für uns interessant, sondern allgemein im ganzen Konzern. Wir arbeiten auch sehr intensiv mit unseren Zentralbereichen zusammen. Das Thema energiebedarfsgerechte Optimierung in der Produktion in Zukunft, ist auch ein wesentlicher Aspekt, warum wir uns damit auseinandersetzen.

Unter den Transparenzthemen, die bei der Fabrik der Zukunft, Produktion der Zukunft eine Rolle spielen, ist der Bereich Energie essenziell. Ein Faktor, der in der Gesamteffektivität der Fabrik der Zukunft eine entscheidende Rolle spielt. – Wie kann ich Energie transparent darstellen, um meine Produktion damit zu steuern und Energieverbräuche zu reduzieren? Letztendlich auch, um sich auf die Veränderungen im Energiemarkt einzustellen – das ist im Prinzip die Motivation.

Es geht bei euch um ein sogenanntes Energy Meter. Ihr habt die Herausforderung, dass ihr verschiedenste Datentöpfe anfassen müsst, die herstellerübergreifend bestehen. Nimm uns mal in deinen Alltag mit. Wenn ich dich begleite – wir sind live vor Ort im Volkswagen-Werk. Was sind hier die Prozesse, was fertigt ihr? Und was hat es mit dem Energy Meter auf sich?

Dirk

Der Standort Zwickau hat als Erster bei Volkswagen Sachsen GmbH die Elektromobilität als Transformation komplett umgesetzt hat – stellt also auch die Blaupause für alle weiteren Standorte dar. Wir fertigen in Zwickau sechs Modelle von drei verschiedenen Marken. Das ist schon eine Herausforderung für sich, diesen Prozess zu organisieren, bei der Komplexität, die dahintersteckt.

Warum wir aber auch bei der IDTA dabei sind: Man muss sich letztlich überlegen – was du auch sagtest: Die vielen Digitalen Zwillinge, die derzeit am Markt entstehen, stellen uns vor eine extreme Herausforderung, um die Dinge zu integrieren. Wenn ich zwei verschiedene digitale Modelle erstmal zu einem zusammenführen muss, um sie zu nutzen, und dann ein drittes hinzu kommt, steigt die Komplexität entsprechend.

Deswegen habe ich gesagt, es macht keinen Sinn, in der digitalen Transformation nicht auf einen Standard zu setzen. Weil ich dann durch die Digitalisierung der Realität eine höhere Komplexität erschaffe und dann habe vielleicht von einem Gerät am Ende fünf digitale Modelle. Das Ziel der Komplexitätsreduzierung habe ich dann verfehlt. Deswegen legen wir viel Wert auf die Integration, und darauf, den Integrationsaufwand hierfür zu reduzieren. Vor allen Dingen wollen wir auch den Engineering-Aufwand runterbringen. Das bedeutet für uns auch einen Nachhaltigkeitsaspekt.

Engineering-Aufwand – das heißt, ihr habt ganz konkret Potenziale gesehen, wo ihr sagt, diese Standardisierung, die ihr schaffen müsst, ist irgendwo die Basis. Was bedeutet das für euch? Was verliert ihr heute? Zeit? Was geht da ins Land?

Dirk

Das Beispiel steht hier: Wie ich einen Anlagenverbund so digitalisieren kann, dass ich einmal in der Erzeugung des Verbundes einen Standard und ein digitales Modell zur Verfügung habe. Dann kann ich zum Beispiel auch beim Austausch verschiedener Energiemessgeräte durch Plug & Produce und Zero Touch dieses Modell recht einfach und flexibel nutzen. Das ist für uns genau die Intention.

So ein Energy Meter erzeugt wahrscheinlich unterschiedlichste Daten, je nach Prozess. Was sind das in diesem Case für Daten, die für euch relevant sind?

Dirk

Erst mal klassisch, die Messung des Energieverbrauchs. Aber nicht nur an der Einspeisstelle – das ist ja ein einfacher Part. Auch auf der Abgangsseite; wo in der Anlage durch die Nutzung der elektrischen Verbraucher Energie verbraucht wird im Prozess. Das überhaupt mal transparent zu machen, ist der eine Schritt.

Aber nicht nur für ein Monitoring. Sondern auch die Daten weiter zu nutzen für andere Anwendungsfälle oder Informationsvernetzung. Dann sind wir wieder beim Punkt Digitaler Zwilling. Der hilft uns, über verschiedene Prozessschritte hinweg zum Beispiel den CO2-Fußabdruck in der Herstellung mitschreiben und aufaddieren zu können.

Sind das dann beispielsweise auch Lasten des Motors?

Dirk

Zum Beispiel, genau. Das, was den Verbrauch beeinflusst. Und ich kann bei Lastenveränderungen auch ein energetisches Profil über die Anlage und Prozessschritte legen. Dann weiß ich, wie ein Profil aussehen muss. Und wenn ich dann Abweichungen habe, erlaubt das bereits Rückschlüsse auf Fehler in der Anlage oder anstehende Unterbrechungen oder andere Probleme. Das ist ein zusätzlicher Gewinn, dass ich mit den Informationen weiterarbeiten kann.

Im Endeffekt ist das eine Art Gleiches Informationsmodell, um überhaupt eine Datenbasis zu haben. Nun habt ihr den Weg gewählt, ihr seid das Projekt mit verschiedenen Herstellern angegangen. Was war euch wichtig in der Umsetzung? Was sind eure Anforderungen?

Dirk

Skalierbarkeit ist ein ganz wichtiges Thema für uns. Technologie-Agnostik. Und Interoperabilität natürlich. Das sind die drei wesentlichen Elemente.

Welche Rolle spielen da Standards? OPC-UA ist immer so der größte – aber es ist ja nicht immer alles OPC-UA-fähig.

Dirk

In dem Fall ist für uns die Verwaltungsschale ein zentraler Baustein. Auch als Standard für die Informationsvernetzung, genau um dieses angesprochene Problem der Integration verschiedener Geräte, die am Vernetzungsmarkt entstehen, anzugehen. Der Vernetzungsmarkt wächst ja extrem; ich glaube, jedes Jahr 12,3 Prozent Zuwachs an vernetzungsfähigen Geräten im IoT- oder IIoT-Umfeld. Um das beherrschbar zu machen, brauche ich einen Standard, sonst kann ich die Sachen bei mir nicht anwenden und integrieren.

Lösungen, Angebote und Services - Ein Blick auf die eingesetzten Technologien [13:40]

Zu Beginn: Wer hatte welche Rolle in diesem Projekt? Saßt ihr an einem Tisch, habt ein Kickoff gemacht?

Dirk

Ich war der Anforderer – ich hatte es einfacher: Ich habe gesagt, ich möchte einen anlagenverbundenen Motor mit drei Energiemetern von unterschiedlichen Herstellern, der heute weder digital verfügbar noch vernetzt ist, in beiden Funktionen als Anlagenverbund digital abbilden. 

 Einfacher Use Case: Der Motor verbraucht Strom und das Energiemeter misst. Ich möchte diese zwei Funktionen digital verfügbar haben. 

Dann haben wir uns mit Siemens und MHP vor allen Dingen gemeinsam zu den Verbrauchern … die Komponentenhersteller waren letztlich Siemens selbst, Lense, Schneider und Phoenix, die die Automatisierungskomponenten gebracht haben. Und mit MHP haben wir die Modellierungsthemen gemacht. Siemens hat im Prinzip die technische Basis geliefert, um den Use Case darauf aufbauen zu können und die Sache dann auch technisch umzusetzen.

In Richtung IDTA gefragt, wir sprechen mal von Verwaltungsschale: Kannst du ganz kurz in deinen Worten erklären, was das ist und welche Rolle ihr speziell hattet? Es gibt diese schöne Anekdote eines Bücherregals. Es geht darum, Standard sind zu erschaffen, und ihr erschafft den Rahmen dafür. Ihr habt verschiedene Arbeitsgruppen, entwickelt das Ganze.

Christian

Also was tun wir als IDTA? Wir definieren erst mal den Standard der Verwaltungsschale. Das heißt, wir haben eine Kernspezifikation. Das ist im Grunde ein Arbeitspaket.

Dann gehen wir den nächsten Schritt, und der ist fast um Welten schwerer: Aus Papier Codeschnipsel zu machen. Wir haben eine starke Aktivität in Richtung Open Technology, Open Software. Das heißt, das ist eine Aktivität, die wir derzeit in der IDTA sehr stark vorantreiben, zusammen mit der Eclipse Foundation. Das ist nicht trivial.

Codeschnipsel bedeutet was genau? Beispielsweise die Lasten des Motors sind ein Thema, das ihr verarbeiten müsst?

Christian

Ein Digitaler Zwilling auf dem Papier ist ja erst mal gar nichts. Wir haben ja nur eine Spezifikation. Wir haben ja erst mal nur einen Standard eines Digitalen Zwillings. Das heißt, wenn wir etwas Lauffähiges haben wollen, wie den Demonstrator mit Energy Monitoring, dann muss er auf irgendeinem Gerät laufen. In dem Fall ist es ein Edge-Device. Das heißt, da muss irgendwo auch ein Server vorhanden sein, den man erst mal darauf installiert. Was installiert man zuerst? Das ist natürlich erst mal Grundcode.

Wir haben eine Reihe von Mitgliedern in der IDTA, die sagen, Standardisierung ist wichtig – aber auch Diversität. Dass sie sich voneinander unterscheiden und eben nicht zu austauschbar werden, sondern Alleinstellungsmerkmale haben. Das ist für die Firmen genauso wichtig.

Das heißt, es gibt irgendwo eine Grenze, wo man sagt, das machen wir vorwettbewerblich in der IDTA. Wir erstellen einen Grundcode. Ich sage jetzt mal, aus dem Consumerbereich eine Android-Basisversion. Und dann kommen die Hersteller, »Ich mache mein Android für den Volkswagen, für Siemens oder für Lense, Schneider Electric und Phoenix Contact« – Das heißt, das sind die Codeschnipsel, wo wir aus Papier etwas Anwendbares für die gesamten Firmen machen. Das ist eine große Aktivität.

Aber das Zweite: Es ist im Grunde so, wir müssen die ganzen Informationen ja irgendwie in den Zwilling reinkriegen. Da helfen uns dann die Teilmodelle. Unter der Asset Administration Shell, unter der Verwaltungsschale haben wir eine Aktivität von dreißig verschiedenen Teilmodellen. Davon ist Energy Monitoring nur eines. Wir haben auch das digital nameplate, das Digitale Typenschild. Build of Material. Und so weiter.

Jetzt komme ich auf das Bücherregal-Beispiel zurück: Da ordnen wir im Grunde die ganzen Standard-Informationen, die aus schon bestehenden Standards kommen, in den Teilmodellen an die richtigen Orte, damit wir die am Ende des Tages für den Anwender gut verarbeitbar machen. Für die verschiedenen Use Cases.

Dirk, du hast also quasi Templates bekommen, Modelle von IDTA, die du für dein Projekt nutzen kannst?

Dirk

Ja, das ist so. Wir haben die Modelle letztendlich erstellt. Was Christian sagte: Wir haben die Grundstruktur, die Semantik genutzt, um die einzelnen realen Elemente darüber einheitlich abbilden zu können. Ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert: Wir haben uns eine Digitalisierungs-Treppe als Implementierungsstrategie gebaut, wo wir sagen, wir gehen das Thema Industrie 4.0 schrittweise an, über die digitale Transformation.

Die beginnt mit den technischen Geräten. Da verfolgen wir immer eine Zwei-Hersteller-Strategie. Das muss schon mal kompatibel sein, dass unsere Lösungen immer mit mindestens zwei Herstellern funktionieren. Ich brauche Prozessstandards. Ich möchte eine automatisierte Datenerfassung haben. Und ich brauche Informationsvernetzung.

Genau an dem Punkt der Informationsvernetzung ist es uns wichtig, dass wir die aufbauen können, um besser zu verstehen, wie unsere Fabrik funktioniert. Warum passieren irgendwelche Dinge? Ich erreiche Transparenz und kann Dinge prädiktieren. Wenn ich in der Prädiktion bin, kann ich auch einen Teil davon autonomisieren.

Für uns ist Autonomie ein kleines Stück … sozusagen das i-Tüpfelchen am Ende der digitalen Transformation. Dass ich mit KI auch gewisse Elemente in der Fabrik autonom steuern kann.

Jetzt sprichst du schon die Verarbeitung der Daten beziehungsweise die Analyse an. Wenn ich über energetische Profile nachdenke, zum Beispiel Stromverbräuche und so weiter – wie erfolgt die Analyse der Daten?

Dirk

Ich habe verschiedene Analyse-Möglichkeiten, wo ich die Informationen, wenn ich sie korreliere, auch in ihrer Kausalität beurteilen kann. Da ist dann der Markt frei. Das ist applikationsseitig egal, welche Werkzeuge ich nutze. Das wollen wir. Ein Stückchen weit Technologie-agnostisch, Applikations-agnostisch zu sein.

Das ist ja der Sinn. Dass wir sagen, Standards sind nichts, was wir kommerzialisieren wollen. Ich möchte jedem den Zugang ermöglichen, um an der digitalen Transformation teilzunehmen. Dass jeder für sich ein Geschäftsmodell auf dem Standard entwickeln kann – das ist der Wettbewerb, den man betreiben kann und der auch da sein sollte.

Am Ende ist es wie beim iPhone. Ich habe Apps, die kann ich mir herunterladen. Da habe ich als Enduser keinen Engineering- oder Systemintegrationsaufwand. Ich lade mir das Ding herunter und habe eine Applikation, die mir gefällt. Und wenn sie mir nicht gefällt, tausche ich sie durch eine andere aus. Den Markt möchten wir mit dieser digitalen Transformation, mit den Standards allen verfügbar machen. An dieser Stelle spreche ich als Vorstand des IDTA: Ich kann jeden nur einladen, da mitzumachen. Denn wenn wir den Standard nicht anwenden, wird jeder in der digitalen Transformation ein Verlierer sein. Das ist meine feste Überzeugung.

Zum Business Case. Wir haben einen Anwenderkreis bei uns. Produzierende Betriebe, die sich austauschen zu Best Practices, Benchmarks, Bottlenecks. Was ist vielleicht der Business Case für euch? Engineering-Aufwand? Was erreicht ihr damit?

Dirk

Wir haben keinen direkten Business Case für den speziellen Anwendungsfall gerechnet. Uns haben hier eher erst mal die Methodik und die Potenziale interessiert. Wir sind da auch ein Stück weit im Neuland unterwegs. 2020 haben wir uns gegründet.

Aber ich sehe insbesondere in der Reduzierung von Engineering-/Systemintegrationsaufwand die Vorteile. Diese vielen einzelnen Applikationen und digitalen Modelle zu integrieren ist die Integrationsleistung, die ich am Ende leisten und finanzieren muss. Das ist ein riesen Kostenfaktor. Der frisst nicht nur Zeit. Der macht mir auch jeden Business Case kaputt. Deswegen ist das für uns so wichtig.

Ergebnisse, Geschäftsmodelle und Best Practices - So wird der Erfolg gemessen [21:47]

Was waren die Erfahrungswerte, die du aus diesem Projekt mitgenommen hast? Was war dir persönlich wichtig?

Dirk

Ich kann nur sagen, allein dass sich ein Kreis Interessierter getroffen hat, die motiviert sind. Die in dem, was wir hier tun, einen Sinn sehen. Ein Mehrwert. Das hat unheimlich viel Spaß gemacht. Das zeigt, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir müssen diese digitale Transformation Stück für Stück gestalten, mit den notwendigen Standards. Auch um in Richtung Industrie 4.0 zu kommen.

Ich glaube, dass wir mit der Vorgehensweise, mit den Bausteinen, die jetzt zu verbinden… dann wirklich auf dem richtigen Weg sind. An diesem einfachen Beispiel zeigt es, dass die Grundphilosophie, die dahintersteckt, funktioniert.

Die Bausteine – was steckt dahinter für ein Best Practice? Worauf muss man achten? Was kann auch mal richtig Zeit kosten?

Dirk

Zeit kostet immer, wenn ich kein digitales Modell habe. Im Brownfield-Umfeld – was uns am meisten beschäftigt, … Wenn wir Fabriken umbauen, haben wir 70 Prozent Integrationsprojekte. Wir nutzen bestehende Infrastrukturen weiter und wir können nicht nur für die 20 %, die neu hinzukommen, Digitalisierung betreiben, sondern müssen auch Bestandsfabriken optimieren.

Also muss ich eine Lösung für das Brownfield finden. Da ist ein kleiner wunder Punkt, den wir noch haben, zwecks Brownfield-Integration den Zugang vereinfachen, um die Geräte überhaupt in die digitale Welt zu bekommen. Da müssen wir noch ansetzen.

Christian, Stichwort Brownfield – ich weiß nicht, wie normal es ist, dass ein Siemens mit einem Schneider und einem Phoenix … wir haben ganz viele Automatisierer da draußen … Das ist ja vielleicht nicht so gang und gäbe. Was siehst du für einen Trend auch bei euch im Verein, um das Thema gemeinsam anzugehen?

Christian

Wir sind in der glücklichen Situation, dass die Firmen ganz gut darin geübt sind, in Gremien zu arbeiten. Von daher, da muss man nicht so viel disziplinarischen Aufwand betreiben, um die zu erziehen – wenn du das jetzt meinst? Von daher, die wissen schon ganz genau, wie geht man in so ein Gremium rein.

Ich kann ein bisschen die Erfahrung wiedergeben, was aus den Diskussionen herausdringt, so ein Kondensat aus allem: Wir haben im Grunde zwei große Themen an der Stelle. Die Verwaltungsschale, der Standard, der Digitale Zwilling soll einmal dazu dienen, die Prozesse intern aufzuräumen. Firmenintern. Das ist der eine Treiber, was die Firmen gerade besprechen. Wie bekommt man das hin, dass die Engineering-Daten bis in die Produktion durchgängig sind?

Das Zweite – ein großer Punkt, der wahrscheinlich auch Dirk sehr freuen wird: Die Produkte werden am Ende des Tages auch verkauft. Das geht auch in Richtung Business Case. Einmal natürlich Kosten einsparen, um interne Prozesse zu optimieren. Aber auf der anderen Seite zu den physischen Produkten auch digitale Inhalte mitzugeben. Das ist ein Qualitätsmerkmal! Weil dem Kunden beispielsweise Toleranzen auch digital mitgegeben werden. Handbücher. Und auch ein Werteversprechen: Dass er digital auch selbst seine Prozesse optimieren kann.

Und dann haben wir immer die Diskussion, was machen wir intern? Was ist der externe Nutzen? Über diese Use Cases kommen wir dann wieder in die Gremien rein – was müssen wir vorwettbewerblich besprechen? Der ganze Aufwand … Wenn das jede Firma für sich tun würde, das wäre gar nicht zu schaffen. Insofern, die Herausforderungen sind ja bei allen Mitgliedern irgendwo die gleichen. Wenn man das auf mehreren Schultern verteilt, ist das für alle nur ein Achtzigstel – und dann schafft man so eine Bewegung auch.

Also an der Stelle der Aufruf: Wer noch nicht mit drin ist, kommt mit dazu!

Dirk

Am Ende geht es auch darum, dass ich eine gewisse Planungssicherheit bekomme für die, die Voraussetzungen schaffen müssen. Sich da abzustimmen und die richtigen Schwerpunkte und Schritte festzulegen, das ist der Vorteil. So arbeitet man nicht an einem Thema am Bedarf vorbei. Dabei hilft die Diskussion in der Community … wenn man sagt, das sind die Elemente, unsere nächsten Schritte, die wir gemeinsam gehen. So erhält jeder, der sich daran beteiligt, eine gewisse Planungssicherheit.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.

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Ing. Madeleine Mickeleit

Host & Geschäftsführerin
IoT Use Case Podcast