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Industrie 4.0: ganzheitliche Digitalisierung von Intralogistik und Fertigung

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IoT Use Case Podcast #45 - Bosch

Wie aus einem Milkrun in der Intralogistik ein „Milkflow“ wird und warum historische Daten die Zukunft der Produktion sind, erfahrt ihr in der 45. Folge des IIoT Use Case Podcast. Madeleine Mickeleit hat dazu zwei Experten für Digitalisierungsprojekte eingeladen: Julia Hayer (Product Owner Intralogistik) und Fabian Utz (Product Owner Fertigung – Schwerpunkt Analytics) von Bosch Connected Industry.

Zusammenfassung der Podcastfolge

Bosch Connected Industry ist das IIoT Softwarehaus von Bosch. Gemäß der Leitanwender- und Leitanbieter-Strategie von Bosch, sind die Software und Services unter dem Namen NEXEED sowohl in den Bosch-Werken als auch bei internationalen Kunden im Einsatz. Ziel ist die effiziente Digitalisierung von Fertigung und Intralogistik. Wie dies im Detail umgesetzt wird, veranschaulicht diese Podcastfolge anhand von zwei Digitalisierungsprojekten aus der Praxis.

Use Case 1 – Intralogistik: Im besprochenen Use Case geht es um das Transportmanagement im internen Materialfluss. Gerade in der Intralogistik überwiegen papierlastige und manuelle Prozesse. Schwankende Transportbedarfe und Kapazitäten stellen die Mitarbeiter immer wieder vor neue Herausforderungen. Hier bring ein automatisiertes Transportmanagement Licht ins Dunkel und macht den Materialfluss transparent, optimiert Beladungszustände und Transportwege. Auf Basis von Echtzeitdaten aktueller Transportbedarfe und verfügbarer Fahrzeuge werden die Routen der Milkruns berechnet und auf ein Tablet gesendet. Der Milkrun-Fahrer wird informiert und angeleitet, was in welcher Reihenfolge zu tun ist. Das macht intralogistische Prozesse deutlich effizienter und erleichtert den Mitarbeitern die tägliche Arbeit.

Use Case 2 – Fertigung: Die Fertigung ist der Intralogistik in Sachen Digitalisierung heute noch ein Stück voraus. Wichtig sei, unseren Podcastgästen zufolge, jedoch die Harmonisierung der Daten, damit alle Beteiligten auf gleiche Dateiformate und transparente, verständliche Informationen zugreifen können. Beschrieben wird ein Anwendungsfall aus dem Automobilbereich. Die Herausforderung: Informationen und Daten sind häufig nur dezentral an einer Linie einsehbar und liegen nicht übergreifend vor. Das steht einem transparenten, effizienten und fehlerfreien Produktionsprozess oft entgegen. Welche digitalen Ansätze hier Anwendung finden und wie sich zustandsbasierte Instandhaltung umsetzen lässt, wird ausführlich in dieser Podcastfolge geschildert.

An wen sind die Digitalisierungslösungen von Bosch Connected Industry richten? Die Kunden sind Betreiber von Fertigungsstätten aller Art, z. B. Hersteller von Materialien, Ersatzteilen, von kompletten Produkten oder auch Maschinen- und Anlagenhersteller. Das NEXEED Portfolio findet Einsatz in den unterschiedlichsten Industrien – von Automotive über Elektronik und Messtechnik bis hin zur Sensorik. Ein entscheidender Vorteil: Bosch ist sein eigener Kunde und kann alle Lösungen in den eigenen Werken ausführlich in der Praxis testen und optimieren, ehe sie Kunden auf dem externen Markt angeboten werden. Die umfangreiche Erfahrung aus der internen Anwendung kommt so den Kunden und ihren Mitarbeitern sowohl in der technologischen Umsetzung als auch bei der weiteren Projektbegleitung zugute.

Podcast Interview

Hallo Julia, hallo Fabian, herzlich willkommen zum IIoT Use Case Podcast. Zunächst erst einmal Danke, dass ihr mit dabei seid und euch die Zeit genommen habt. Ich würde sagen, wir starten mit einer kurzen Vorstellungsrunde, um vielleicht auch kurz einzuordnen, wo Bosch Connected Industry genau herkommt und wie ihr in dem Bosch-Umfeld genau aktiv seid. Da würde ich einfach mal an dich übergeben, Julia. Magst du kurz was zu dir, zu deiner Person und zu Bosch Connected Industry sagen?

Julia

Hallo Madeleine, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, heut dabei zu sein. Mein Name ist Julia Hayer und ich bin Produkt Owner für die Intralogistik bei Bosch Connected Industry. Bosch Connected Industry ist das Softwarehaus innerhalb von Bosch für Industrie 4.0 Lösungen. Das heißt, bei uns fließt alles zusammen, was für eine transparente, effiziente Fertigung und Intralogistik benötigt wird. Aber da können wir später auch noch mehr im Detail drauf eingehen.

 

Ok, perfekt. Fabian, dann würde ich einfach mal an dich übergeben. Magst du die Vorstellungsrunde abschließen und noch mal kurz was zu deiner Person sagen und wo du bei Bosch Connected Industry genau aktiv bist?

Fabian

Hallo Madeleine, auch ich freue mich sehr, dabei zu sein heute. Mein Name ist Fabian Utz. Ich bin Product Owner im Bereich der Fertigung bei Bosch Connected Industry und habe hier Bereiche wie Applikationen für die Datenanalyse oder das Condition Monitoring zum Beispiel in der Verantwortung. Und dieses gesamte Portfolio, das wir bei Bosch Connected Industry anbieten, das nennt sich NEXEED. Unter dem Namen bieten wir Software und Services für die industrielle Digitalisierung an. Das geht von Retrofit-Lösungen für Bestandsanlagen über anwendungsbezogene Applikationen bis hin zur umfassenden Beratung – und das alles aus einer Hand. Wir unterstützen da kleine nationale Unternehmen, aber auch große Konzerne, die international tätig sind.

 

Vielen Dank. Ich würde auch gleich im Detail noch mal darauf eingehen, was NEXEED in der Praxis genau bedeutet. Vielleicht um mal ganz einfach in das Thema einzusteigen: Ihr arbeitet ja jetzt mit unterschiedlichen Kunden, du hast es gerade gesagt, größere, kleinere Kunden. Mich würde im Hinblick auf das Thema Industrial IoT, Digitalisierung und diese ganzen Schlagwörter interessieren, was ihr da am Markt für aktuelle Entwicklungen seht? Was sind vielleicht auch die Treiber, warum ihr auch in diese Richtung mit Kunden geht?

Julia

Ja, du hast es schon gesagt. Also ein ganz großes Thema in der Logistik ist die Digitalisierung. Momentan ist die Logistik noch sehr papierlastig und manuell unterwegs. Also es werden z. B. Kommissionierlisten ausgedruckt, nach denen die Mitarbeiter arbeiten oder der Milkrun-Fahrer fährt einfach durchs Werk nach dem Prinzip „Go and See“ und schaut wo, muss ich Material hin liefern? Wo kann ich z. B. Leergut abholen? Und der erste Schritt ist jetzt erst einmal, in der Logistik durch die Digitalisierung Transparenz über die Prozesse zu bekommen. Und darauf aufbauend kann man dann im nächsten Schritt die Prozesse optimieren. Und zusätzlich gibt es einen weiteren Trend: die Automatisierung durch autonome Transportfahrzeuge. Aber das ist auch noch sehr am Anfang in der Logistik und ich glaube, Fabian, in der Fertigung, seid ihr da schon einen ganzen Schritt weiter mit der Automatisierung.

Fabian

Ja, genau, die Digitalisierung an sich ist da weitestgehend abgeschlossen. Maschinen und Prozesse haben eine Connectivity. Maschinen sind angebunden, speisen ihre Daten in Systeme. Da ist ein Thema noch die Harmonisierung, dass man gleiche Datenformate in Systeme einspeist, zum Beispiel. Use Case spezifische Visualisierungen sind weitestgehend vorhanden, Experten können visuelle Analysen durchführen. Und jetzt ist es sehr interessant, Experten zu unterstützen, dass sie nicht mehr selbst visuelle Analysen durchführen müssen, sondern dass Prozessanomalien oder Maschinenausfälle vom System selbst erkannt werden. Und das macht man zum Beispiel mit Methoden des Machine Learning. Und der springende Punkt ist hier nicht Leuchtturmprojekte zu verfolgen und projektspezifische Implementierungen vorzunehmen, sondern standardisiert KI zur Verfügung zu stellen und das den Fertigungsexperten einfach zugänglich zu machen, ohne dass sie Algorithmenwissen z. B. mitbringen.

 

Ihr seid ja mit Bosch Connected Industry, wie du eben gesagt hast, ein Softwarehaus bei euch. Kann man das noch mal ein bisschen im Gesamtkontext der Robert Bosch GmbH einordnen und vielleicht auch den Kontext zur historischen Entwicklung seitens Barsch Connected Industry herstellen? Vielleicht könnt ihr da noch mal ein bisschen ausführen, mit welchen Kunden ihr dort arbeitet? Sind das die Bosch-Werke oder sind es internationale Kunden? Einfach nur um von Anfang an mal so ein bisschen die Einordnung zu haben.

Fabian

Da ist vielleicht wichtig – wo kommen wir her? Also lange bevor Industrie 4.0 oder IoT geprägt wurde, waren Lösungen aus dem NEXEED -Bereich, aus dem NEXEED-Portfolio, bereits bei Bosch im Einsatz. Das Nexeed MES ist z. B. mehr als 20 Jahre mittlerweile im Einsatz und wird bei fast der Hälfte aller rund 240 Bosch-Werke weltweit genutzt – Tendenz steigend. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Nexeed Automation und der Steuerungssoftware Control Plus. Parallel wurden viele Software-Lösungen entwickelt, intern erprobt, und Bosch verfolgte da immer die Strategie, sowohl Anwender als auch Anbieter in der Industrie 4.0 zu sein. Das heißt, es werden intern Lösungen entwickelt, auch selbst eingesetzt, und dann z. B. auch an den externen Markt gegeben. Und diese Strategie, die gipfelte 2018 in der Gründung von Bosch Connected Industry und der externen Markteinführung des NEXEED-Portfolios.

 

Sind das dann primär auch die Werke, wo eure Lösungen zum Einsatz kommen, oder mit welchen Kunden arbeitet ihr noch im Detail, Julia?

Julia

Ja, zum einen schon. Also wir haben die internen Kunden bei uns, aber alles, was bei uns intern umfassend getestet wurde und validiert wurde, das steht dann auch den externen Kunden aus unterschiedlichen Industrien zur Verfügung. Zum Beispiel Fertigungsbetreiber, Maschinenbauer und Intralogistiker, die profitieren dann von der Erfahrung und von der Kompetenz von Bosch. Heute haben wir insgesamt ungefähr 100 internationale Kunden, die die Lösungen aus unserem NEXEED-Portfolio nutzen. Und es kommt zum Einsatz in unterschiedlichen Industrien z. B. Automobil, Elektronik, Messtechnik, Sensorik, um nur ein paar davon zu nennen. Und zusammengefasst kann man sagen, unsere Kunden sind Betreiber von Fertigungsstätten aller Art, also z. B. Hersteller von Materialien, von Ersatzteilen, von kompletten Produkten oder auch Maschinen- und Anlagenhersteller. Die Lösungen eignen sich sowohl für einen Greenfield-Einsatz, also wenn irgendjemand ein neues Werk baut, dass wir da von Anfang an mit dabei sind und bei der Einführung begleiten. Man kann es aber genauso gut in vorhandene Werke integrieren.

 

Jetzt hattet ihr beide auch schon den Bereich der Logistik angesprochen, als auch die Produktion bzw. die Fertigung. Das bringt ja unterschiedliche Anwendungsfelder mit, wo sich Use Cases entwickeln, auch in Richtung der Digitalisierung, im Bereich IoT. Ihr habt ja den Slogan „Wir digitalisieren die Wertschöpfungskette“. Was bedeutet das im Detail und was sind da vielleicht auch die Herausforderung dieser einzelnen Bereiche? Also man hat ja irgendwie die Entwicklung, die Beschaffung, die Fertigung, die Intralogistik und noch viele weitere Bereiche. Was sind hier die Herausforderungen oder Bedarfe in der Praxis?

Julia

Ja, aktuell sind bei Bosch die Herausforderungen, und ich glaube bei vielen anderen produzierenden Unternehmen auch, dass wir einfach schwankende Kundenaufträge haben. Wir haben Lieferengpässe bei Lieferanten und vor allem auch das Problem mit der Kurzarbeit. Und es heißt, dadurch ist diese langfristige Planungssicherheit nicht mehr gegeben und die Komplexität in der Materialversorgung steigt extrem an. Wir haben bei unseren Bosch-Werken einfach gemerkt, dass diese Komplexität ohne intelligente Systeme nicht mehr händelbar ist.

 

Okay, jetzt würde ich mal ganz gerne so ein bisschen in die Praxis einsteigen. Also ich spreche im Podcast immer über verschiedenste Use Cases. Jetzt haben wir die Logistik angesprochen. Da würde ich jetzt gern mal bei dem Beispiel bleiben, wenn wir uns jetzt so einen klassischen Warenfluss vorstellen. Kannst du den Hörern in virtuelles Bild mitgeben, wie es vor Ort bei eurem Kunden aussieht? Wie muss man sich so einen Prozess in der Intralogistik vorstellen, um dann im nächsten Schritt ein bisschen über die Jobs und die Daten einzusteigen und dann so ein bisschen auch über die Lösungen zu sprechen hintenraus.

Julia

Das Ziel bei unseren Lösungen in der Intralogistik ist zunächst einmal den Materialfluss transparent zu machen und dann, wie schon gesagt, die Mitarbeiter zu unterstützen, dass sie diese steigende Komplexität in der Intralogistik händeln können. Dafür haben wir zwei Lösungen entwickelt. Das ist zum einen Stock Management. Die Applikation Stock Management bietet einen digitalen Zwilling, um die Bestände in der Produktion transparent zu machen. Aber heute würde ich den Fokus gern auf die zweite Lösung legen. Das ist das Transportmanagement für den internen Warentransport.

 

Wenn man sich den internen Warentransport verbildlicht vorstellt, wie sehen denn hier so klassische Jobs aus bzw. vielleicht auch welche Bedarfsträger oder Stakeholder sind da noch involviert? Wie muss man sich das so im Alltag vorstellen im internen Warentransport?

Julia

Ja, wenn man sich die Logistik anschaut, gibt es zunächst einmal die Planungsaufgaben. Das heißt, es gibt eine Logistikplaner, der ist zuständig für die Planung und Auslegung von den Milkrun-Routen, aber auch für die Kapazitätsplanung. Das heißt, welcher Mitarbeiter arbeitet wo, wie viele Fahrzeuge habe ich aktuell zur Verfügung und wenn er das tut, ist es meistens so aktuell, dass er das mit aufwändigen Berechnungen zum Beispiel in Excel macht. Aber es gibt wenig Unterstützung an Tools, um diese Planungsaufgabe zu leisten. Und die Hauptaufgabe in der Logistik ist natürlich der physische Transport, also das Material von A nach B zu transportieren.

 

Genau solche Excel-Tabellen findet man natürlich zuhauf, dass da noch viel manuell dokumentiert wird. Wie muss man denn sich diesen Transportmanagement-Prozess genau vorstellen? Wie wird es heute genau unterstützt? Wie funktioniert das in der Praxis?

Julia

Ja, schwierig ist es immer für den Mitarbeiter, wenn er z. B. schwankende Transportbedarfe hat oder wenn nicht immer die gleiche Kapazität verfügbar ist, weil dann stößt er an seine Grenzen mit der Excel-Tabelle. Das heißt, er müsste eigentlich permanent neu berechnen, wie die Milkrun-Route aktuell aussieht. Und diese Berechnung macht das Transportmanagement automatisiert auf Basis der aktuellen Transportbedarfe und den verfügbaren Fahrzeugen. D.h. dadurch wird der Planer in seiner Arbeit entlastet. Die berechneten Touren werden dann direkt auf ein Tablet geschickt, das der Milkrun-Fahrer auf seinem Fahrzeug hat. Das heißt, der Fahrer wird dann Schritt für Schritt durch seine Tour geleitet und das Tablet erklärt ihm, was er an welcher Station zu tun hat. Und dadurch ist es dann möglich, die Mitarbeiter auch flexibel einzusetzen. Also man kann z. B. Leute, die normalerweise nicht in dem Bereich arbeiten, z. B. Urlaubsvertretungen oder irgendwelche Springer auf so eine Route setzen, weil sie praktisch diese Schritt für Schritt Anleitung auf ihrem Tablet haben.

 

Okay, wenn ich mir jetzt so eine klassische Transportroute anschaue, was sind denn hier Daten oder auch Kennzahlen, die für eure Kunden interessant sind? Ich stelle mir jetzt einfach das vor, was du gerade bildlich gesagt hast. Was sind denn hier für Systeme im Einsatz bzw. wie nimmt man dann hier welche Daten überhaupt im Feld auf?

Julia

Wir haben natürlich Schnittstellen zu anderen Systemen, also zu den Quell-Systemen wie z. B. SAP oder MES. Von den Systemen bekommen wir dann die Transportbedarfe und zusätzlich muss der User auch noch die Material-Stammdaten anlegen und die Informationen über die Flotte geben. Also praktisch welche Fahrzeuge gibt´s in dem Werk, welche Trailer, welche Ladungsträger? Und auf Basis dieser Daten und den Live-Daten aus dem Werk, also der aktuellen Position von den Fahrzeugen und der freien Ladefläche, wird dann die Milkrun Tour geplant.

 

Das klingt ja auch relativ komplex und durch das MES-System sind ja dann auch schon mal viele Daten vorhanden. Wenn ich das Ganze jetzt noch ein Stück weiterdenke und wirklich in Richtung der Daten Analytics gehe: Wie bringe ich denn das Wissen, das man durch diese verschiedenen Routen gebildet hat oder aus diesen einzelnen Systemen hat, wie bringe ich diese Kompetenzen ins Digitale? Da sind ja schon viele verschiedene Kompetenzen durch Prozesse vorhanden, in Excel-Tabellen beispielsweise, aber vielleicht auch in anderen Systemen. Wie bringe ich dieses Wissen jetzt genau ins Digitale? Wie funktioniert das?

Julia

Das ist ein wichtiger Schritt. Das ganze Know-how, das bei den Leuten in den Köpfen ist und in den Excel-Tabellen, das müssen wir ja irgendwie in unsere Applikation transferieren. Und wir machen das bei Bosch Connected Industry gemeinsam mit den Bosch-Werken, weil wir einfach so viele Standorte weltweit haben. Wir haben einfach das Glück, dass wir da das Prozess-Know-how abziehen können und auf der Basis neue Funktionen entwickeln. Und diese Funktionen, die werden dann auch immer direkt in den Pilot-Werken getestet. Das heißt, wir entwickeln, es gibt eine neue Funktion, die wird im Pilot-Werk getestet und validiert. Das heißt, die Werke geben uns das Feedback, ob die Funktion tauglich für einen stabilen Einsatz in der Produktion tauglich ist. Und erst wenn das gegeben ist, wird es dann auch freigegeben und praktisch für andere Kunden releast.

 

Jetzt redet man ja häufig auch über das Geschäftsmodell, den Business Case dahinter. Am Ende müssen ja irgendwo Lieferengpässe überbrückt werden, es muss eine langfristige Planung da sein, man muss wettbewerbsfähig bleiben. Da spielt das Thema Kosten natürlich eine wahnsinnig wichtige Rolle. Wie sieht denn hier der Business Case in der Praxis zu diesem ganz konkreten Case in der Logistik aus?

Julia

Ja, den Business Case können wir dadurch realisieren, dass wir auf Basis von realen Transportbedarfen planen. Also das heißt, wir können die statischen Milkrun-Routen auflösen und der Milkrun-Zug fährt jetzt nicht mehr wie früher nach einem statischen Busfahrplan, wo er wirklich alle Stationen abfährt, sondern wir wissen genau, an welcher Station aktuell Transportbedarf ist und leiten den Zug über dieses Tablet auch wirklich nur noch an die Stationen, wo wirklich Bedarf ist, und dadurch können wir die Effizienz deutlich steigern. Zusätzlich haben wir dann noch eine Live-Überplanung. Das heißt, wir wissen immer genau, wo welcher Milkrun aktuell ist. Und wenn jetzt ein neuer Transportauftrag reinkommt ins System, dann prüfen wir erstmal, ob der noch auf eine aktuelle Route draufpasst, die unterwegs ist. Und wenn das der Fall ist, planen wir das direkt mit ein. Das heißt, wir können auch die Auslastung von den Fahrzeugen deutlich erhöhen.

 

Kurze Zwischenfrage: Da spielt das Thema Echtzeit natürlich eine wahnsinnig relevante Rolle, oder?

Julia

Ja, auf jeden Fall. Deshalb haben wir auch dieses Tablet. Es ist zum einen die Anzeige für den Fahrer, aber gleichzeitig auch das Feedback an uns. Immer wenn der Mitarbeiter was quittiert, z. B. wenn er angekommen ist an der Station oder wenn er irgendwas abgeliefert hat, dann kommt die Information direkt live in unser System und wird wieder genutzt für die Überplanung der Route.

 

Wenn ich jetzt mal so ein bisschen weg von diesem Logistik-Thema hin zur Produktion gehe, Fabian. Ihr hattet ja gesagt, ihr habt jetzt viele Kunden, die auch Betreiber von solchen Produktionsstätten sind. Du hattest ganz am Anfang gesagt, es geht auch irgendwo um Datenanalysen. Wie muss man sich das denn jetzt vorstellen – weg von der Logistik, hin zur Produktion? Wie funktioniert das in der Praxis?

Fabian

In der Produktion geht man weg vom Materialfluss natürlich hin zur Maschine. Wie geht´s der Maschine? Was kann ich an der Maschine optimieren? Es geht um Prozesse: Welche Prozesse laufen auf den Maschinen? Sind die stabil? Sind die instabil? Was muss ich tun, um hier eine höchstmögliche Qualität zu erreichen? Und dann natürlich auch die Endprodukte, die Produktqualität am Ende, die recht hoch sein soll, am besten natürlich ohne Fehler. Da sprechen wir ganz genau die Prozessexperten und die Qualitätsingenieure an, aber auch die Maschineninstandhalter. Und die wünschen sich natürlich einen transparenten, fehlerfreien, kontinuierlichen Prozess der Produkte, der dann eine einwandfreie Qualität gewährleistet. Und Abweichungen sollen schnell erkannt werden. Die sollen einfach analysiert werden können, um so die ganzen Abweichungen auf ein Minimum zu reduzieren. Und das Ergebnis soll eine effiziente Produktion sein mit einer hohen Anlageneffektivität. Und genau dafür haben wir das Paket Product Quality geschnürt, um genau diese Anforderungen im Endeffekt abzudecken.

 

Jetzt hatten wir mit Julia auch über die Herausforderung in der Logistik gesprochen. Wie ist das denn jetzt mit den klassischen Herausforderungen, die man an diesen Prozessen an den Maschinen findet? Du hattest jetzt gerade von Produktqualität gesprochen, Qualitätssicherung ist ein relevanter Punkt. Wie muss man sich das vorstellen? Was sind hier die tagtäglichen Herausforderungen eurer Kunden?

Fabian

Ja, erst einmal geht es um die Connectivity. Das habe ich vorhin schon erwähnt. Da ist man über den Berg, da gibt´s Lösungen. Wenn ich mir jetzt einen Automotive-Hersteller anschaue, der hat verschiedene Prozesse, die er an der Karosse macht, z. B. Schrauben. Und da haben wir hunderte Schrauber im Werk und die Ergebnisse sollen natürlich irgendwo zentral einsehbar sein und die sind aktuell oft nur dezentral an der Linie einsehbar. Da muss der Kunde hinlaufen und es geht auch um Analysen über Geräte hinweg. Wie stabil sind meine Prozesse? Machen bestimmte Geräte Probleme? Wo kann ich optimieren? Das sind die Hauptfragen, mit denen wir uns konfrontiert sehen.

 

Wenn ich jetzt mal bei diesem Beispiel mit dem Schrauber bleibe. Welche Daten sind denn in diesem ganz konkreten Use Case oder in diesem Anwendungsfall interessant, um daraus vielleicht auch weitere Insights für mögliche digitale Lösungen zu generieren?

Fabian

Wenn man sich so ein Schraubprozess vorstellt, dann hat man einen Drehwinkel. Also wie weit drehe ich eine Schraube rein z. B. und auch einen Drehmoment, also wie fest wird am Ende die Schraube angezogen. Und da gibt´s ganz, ganz spezifische Anforderungen in diesen Prozessen. Wie genau der Winkel sein soll, durch welche Fenster diese Kurve gehen soll. Und die Daten sind in dem Use Case sehr, sehr wichtig, um am Ende zu definieren, ist das Prozessergebnis okay oder nicht. Das heißt, wird dieser Schraubprozess akzeptiert, ist die Schraube richtig eingedreht oder nicht. Aber auch bei anderen Use Cases, wie z. B. beim Pressen oder beim Schweißen können Prozesskurven nahezu in Echtzeit ausgewertet werden im System. Und da ist die Analyse, die visuelle Analyse und die Transparenz erst einmal sehr, sehr wichtig. Auch Anlagen selbst zu überwachen – da überwachen wir z. B. bei einem Kunden beim Beschichten mittels katodischer Tauchlackierung verschiedenste Komponenten der gesamten Anlage mit individuellen Regeln, die über die Oberfläche der Software eingestellt werden können, um damit z. B. eine zustandsbasierte Instandhaltung zu realisieren. Und diese Logik ist eben übertragbar auf verschiedene Use Cases. Das heißt, wir haben da ein sehr breites Spektrum, das wir abdecken können.

 

Wenn ich jetzt auch mal wieder bei dem Beispiel bleibe, also der katodischen Tauchlegierung, dann habe ich, wie du gesagt hast, verschiedene Komponenten, verschiedene Daten, die überwacht werden. Jetzt muss ich ja diese Intelligenz irgendwie aus dem Prozess ins Digitale umwandeln. Es geht um die Analyse der Daten. Wie muss man sich das vorstellen in der Praxis? Wie funktioniert diese Analyse der Daten? Sammelt man die als Kunde erst einmal und schaut dann, welche Insights man daraus generiert? Wie funktioniert das im Detail?

Fabian

Also der Ansatz, den man lange verfolgt hat, ist z. B. für eine spezifische Maschine, für ein spezielles Bauteil in einem spezifischen Projekt, Algorithmen zu erstellen, mit Data Scientist, mit Experten, die dann zum Beispiel die Teilequalität oder einen Ausfall vorhersagen können. Davon gehen wir jetzt weg und sagen: Wir möchten Algorithmen entwickeln, auch bei Bosch intern, die dann auf historische Daten gehen – 2, 3 Wochen, 4 Wochen auch noch länger, über Halbjahre, Jahre. Wenn man über Maschinenausfälle redet, dann habe ich ja nicht jeden Tag einen Maschinenausfall, da braucht es einfach eine bestimmte Historie an Daten, dass man auch valide und genaue Aussagen machen kann mit solchen Algorithmen. Und wir haben in den letzten Jahren mit unseren Kunden, mit Prozessexperten innerhalb und außerhalb von Bosch sehr, sehr eng zusammengearbeitet. Da haben wir den Vorteil, dass genau diese Experten bei uns in den Werken sitzen, um z.B. eine Ereignis-Sequenz-Erkennung zu implementieren, die jetzt standardmäßig im Produkt vorhanden ist. Und wenn irgendeinen Maschinenausfall auf der Maschine geschieht und ich habe aber auch ganz viele andere Ereignisse auf einer Maschine z.B. der Öldruck geht hoch oder die Tür wird geöffnet, dann kann ich über einen Algorithmus hier die relevanten Ereignissequenzen erkennen und in Zukunft verhindern. Das heiß, ich weiß was vor einem Maschinenausfall an Sequenzen passiert. Das ist es einfach mit dieser Fülle an Daten heutzutage nicht mehr möglich als Experte nur noch abzuschätzen, sondern man braucht einfach unterstützende Tools, die die Experten dann einsetzen können, um ihr tägliches Leben einfacher zu machen.

 

Ich glaube, der Punkt, den du gesagt hast, ist wahnsinnig wichtig, auch gerade diese Ereignissequenzen nebeneinander zu legen und dann zu schauen, was kommt wie häufig vor und wie kann man am Ende das einsparen. Das ist ein wahnsinnig wichtiger Punkt. Jetzt hatte Julia gerade schon gesagt, es gibt irgendwo auch ein Dashboard, ein Tablet, wo man Informationen sieht. Wie sieht das denn dann für den Nutzer speziell im NEXEED Industrial Application System aus? Angenommen ich habe jetzt Ereignissequenzen, die ich darstellen will. Wie sieht es in dem System genau aus?

Fabian

Erstmal sehe ich natürlich die Parameter, die kann ich visualisieren, z.B. über ein historisches Diagramm. Da sehe ich die Verläufe, sehe erstmal nur die Daten visualisiert. Dann kann ich da drauf eine Logik anwenden, z. B. standardisierte Regeln oder eben diese Ereignis-Sequenz-Erkennung. Und da ist es wichtig, die Zugänglichkeit für die Experten herzustellen, dass ich kein Algorithmus mehr programmieren muss auf der Oberfläche, sondern dass ich mir vorgefertigte Bausteine heranziehen kann und die auf Daten anwenden kann und mein Expertenwissen auch mit dem System verbinde. Das heißt, die Experten speisen das System, das System speist den Experten und so kann man eben die Prozesse nach und nach optimieren. Und ich kann z. B. auch diese Ereignisse historisch analysieren. Ich kann mir ein Pareto-Diagramm ziehen und so weiter, dass man diese Insights, die man generiert, auch über den Kreislauf wieder schließt. D.h. am Ende möchte ich aus diesen ganzen Insights eine Aktion generieren – auf dem Shopfloor, in der Fertigung, wo ich dann z. B. das Öl austausche, weil ansonsten in zwei Tagen die Maschine stillstehen würde oder einen Prozessparameter anpassen, da sonst der Prozess instabil wird. Und da möchte ich proaktiv reagieren und nicht reaktiv.

 

Wenn du jetzt von dem Expertenwissen sprichst bzw. die Ereignisse, die ich auch nach und nach optimieren will durch so ein System, was sind da die Top-Faktoren, die euch geholfen haben, diese Projekte überhaupt umzusetzen? Es ist ja erst einmal für Kunden ein relativ komplexes Thema bzw. auch ein komplexes Projekt, das ganzheitlich umzusetzen. Was sind so die klassischen Faktoren, die euch da in der Praxis geholfen haben, um das erfolgreich mit Kunden umzusetzen? Julia, da schau ich jetzt mal in deine Richtung.

Julia

Wir haben es ja vorhin schon angesprochen, dass wir alle unsere Lösungen mit den Bosch-Werken gemeinsam entwickeln und dort auch testen. Und ich glaube, diese Domänen-Kompetenz, die wir in unseren Bosch-Werken haben, die hilft uns da enorm. Also Bosch setzt unsere Lösungen jeden Tag ein und wir bekommen direktes Feedback. Also es ist ein bisschen einfacher als bei einem externen Kunden, wenn man intern erstmal testet. Wir kennen die Leute, wir haben unsere Pilot-Kunden. Das heißt, wenn irgendwas nicht läuft oder wenn es Probleme gibt, dann kriegen wir direktes Feedback, das wir dann auch wieder zur Weiterentwicklung der Produkte nutzen können. Und wir haben zusätzlich auch den Zugriff auf diese Experten. Also das heißt, wenn wir jetzt ein Roll-Out bei einem Kunden machen, bei einem neuen Werk, dann können wir z. B. einfach einen Logistikplaner aus Feuerbach mitnehmen und sagen: Okay, kannst du uns mal helfen für ein bis zwei Tage? Dann nehmen wir den Experten mit zum Kunden und der kann dort auch ein bisschen anders unterstützen als wir jetzt von der Software. Also das ist dann einfach ein Mitarbeiter, der kennt den Shopfloor, er hat das System bei sich selbst eingeführt, er kennt die Schwierigkeiten bei der Implementierung und er kann einfach auf Augenhöhe mit den Kunden diskutieren. Und ich glaube, das ist extrem wichtig bei solchen Projekten.

 

Fabian
Wie es Julia schon angesprochen hat, nutzen wir genau diese Experten, um Applikationen agil und gemeinsam mit den Kunden zu entwickeln. Und damit schaffen wir es, genau die Funktionalitäten mit unseren Applikationen zu liefern, die von den Kunden auch benötigt werden und vielleicht auch der Zeit ein bisschen voraus zu sein und zu wissen, was vielleicht in einem Jahr dann am Markt auch benötigt wird. Damit sind wir und auch die Kunden sofort einsatzbereit, haben recht schnell positive Ergebnisse, die sich dann auch skalieren lassen, weil wir bei Bosch auch drauf schauen, dass wir eine Standardisierung hinbekommen und eine Skalierbarkeit ermöglichen. Und zusätzlich bieten wir neben den Softwarelösung auch weitere Services an. Denn aus unserer Sicht gehört zu einer ganzheitlichen Beratung rund um die Digitalisierung auch ein technischer Support oder die Mitarbeiterqualifizierung, professionelle Change Begleitung. Denn nur wenn alle den digitalen Wandel am Ende mitmachen und die neuen Lösungen von Beginn an akzeptieren und unterstützen, kann die Reise auch in eine erfolgsversprechende Zukunft gehen.

 

Jetzt haben wir in zwei kleine Use Cases reingeschaut. Vielen Dank für die Insights in eure Kunden bzw. auch die Werksstrukturen. Standardisierung und die Expertise inhouse, das sind auch zwei wichtige Punkte und ich glaube, da finden sich viele Hörer wieder, die sich auf diesen Weg gerade begeben oder bereits sind und gute Partner suchen, die solche Themen ganzheitlich mit umsetzen. Vielen Dank für die spannende Session!

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.

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Ing. Madeleine Mickeleit

Host & Geschäftsführerin
IoT Use Case Podcast