In Folge 173 von IoT Use Case spricht Ing. Madeleine Mickeleit mit Ronny Förster und Daniel Wache von KSG sowie Daniel Kobel von Schaeffler Digital Solutions über die digitale Transformation in der Leiterplattenfertigung. Im Zentrum steht der Einsatz der IIoT-Plattform autinityDAP – für mehr Effizienz, Qualität und Skalierbarkeit in der Produktion.
Folge 173 auf einen Blick (und Klick):
Podcast Zusammenfassung
In Folge 173 spricht Madeleine Mickeleit mit KSG und Schaeffler Digital Solutions über die IT/OT-Integration in der Leiterplattenfertigung. Im Fokus steht die Einführung der IIoT-Plattform autinityDAP Starter, um ERP-Systeme, SPS-Steuerungen und einen heterogenen Maschinenpark intelligent zu vernetzen. Ziel ist eine skalierbare Systemlandschaft, die Datenakquise, Rezeptverwaltung und Rückschreiben an Maschinensteuerungen ermöglicht – bis hin zur automatisierten Parametrierung über eigene KSG Apps auf dem Edge Device.
Dank über 50 Konnektoren für Protokolle wie OPC UA, MQTT und Profinet sowie dem Einsatz von Open Source Tools (Node-RED, Grafana, PostgreSQL) entsteht eine flexible Datenarchitektur. Use Cases reichen von der Bandgeschwindigkeit im Ätzbad, über die automatische Fehlervermeidung bei falschem Rezept, bis zur OEE-Berechnung. Der Use Case ist ein Paradebeispiel für datengetriebene Fertigung im Mittelstand, inklusive Losgröße 1 und Energieüberwachung per App.
Podcast Interview
Heute werfen wir einen Blick in die Praxis eines Unternehmens, das Digitalisierung nicht nur predigt, sondern sie operativ umsetzt – direkt in der hochspezialisierten Leiterplattenfertigung. Wir sprechen mit KSG, einem der führenden Leiterplattenhersteller Europas, wo Qualität, Rückverfolgbarkeit und Effizienz höchste Priorität haben und die IT zur strategischen Kernfunktion geworden ist.
Wie das umgesetzt wurde, erfahrt ihr jetzt. Gemeinsam mit Schaeffler Digital Solutions wurde eine IIoT-Lösung implementiert: autinityDAP Damit entsteht eine standardisierte, skalierbare Dateninfrastruktur. Wie genau das umgesetzt wurde, inklusive Best Practices, erfahrt ihr ebenfalls. Zudem zeigen wir, welche Use Cases realisiert wurden. Wir beantworten auch Fragen aus der Community – etwa wie die Anbindung eines heterogenen Maschinenparks skalierbar und herstellerunabhängig gelingt, wie sich Produktionsparameter automatisiert auslesen und schreiben lassen und wie eine offene IoT-Plattform, beispielsweise mit MQTT und Edge-Applikationen, die Produktionsrealität verändert. Mit dabei sind heute Ronny Förster und Daniel Wache direkt aus der IT bei KSG mit Best Practices aus ihrem Alltag sowie Daniel Kobel, Produkt-Owner bei Schaeffler Digital Solutions, mit Einblicken in über 16.000 vernetzte Maschinen weltweit.
Alle Details zur Umsetzung solcher oder ähnlicher Projekte findet ihr wie immer unter iotusecase.com und in den Show Notes. Viel Spaß – ab ins Podcaststudio.
Schön, dass ihr mit dabei seid. Schön, dass ihr dabei seid. Zweimal Daniel und einmal Ronny. Ich fange bei dir an, Ronny. Wie geht’s dir heute, und wo erreiche ich dich gerade?
Ronny
Danke, gut. Danke, dass wir dabei sein dürfen. Ich sitze im Erzgebirge, in Gornsdorf an unserem Standort. Wir haben noch einen weiteren Standort in Österreich, in Gars am Kamp.
Schöne Grüße ins Erzgebirge und nach Österreich sowie an alle, die uns zuhören. Daniel von KSG, wie geht es dir? Seid ihr heute am selben Standort oder wo bist du gerade?
Daniel W.
Ich sitze mit Ronny am gleichen Standort in Gornsdorf. Meine Themen sind die Programmierung von Projekten sowie das Verarbeiten von neuen Ideen und akuten Problemen, die auftreten. Das ist immer ein spannender Arbeitstag.
Ich denke, darüber erfahren wir heute noch eine Menge. Last but not least: der Schaeffler Daniel. Ich nenne dich jetzt einfach mal so. Wie geht es dir und wo erreiche ich dich gerade?
Daniel K.
Hallo, vielen Dank für die Einladung. Mir geht es prinzipiell gut – mir geht es immer gut. Besonders, wenn ich mit KSG an aktuellen und zukünftigen Themen zusammenarbeiten kann. Ich bin in Chemnitz zu finden. Schaeffler Digital Solutions hat dort ein Büro – eine unserer Niederlassungen in Deutschland, aber auch weltweit. Ich denke, Schaeffler ist ein Begriff.
Ihr wart bereits im Podcast zu Gast, aber wir machen trotzdem noch einmal eine Vorstellung. Die anderen Folgen sind sehr spannend – kann ich nur empfehlen. Ich packe sie in die Show Notes, da könnt ihr gerne noch einmal reinhören. Vielleicht starten wir mit einer kurzen Vorstellung. Ronny, du bist Senior IT-Systemingenieur bei KSG und arbeitest in der IT-Abteilung. Dabei geht es darum, Infrastruktur und Systeme für die Fertigung zuverlässig und zukunftsfähig aufzustellen. Gibt es einen typischen Tag bei dir in der IT? Oder ist jeder Tag anders?
Ronny
Einen typischen IT-Tag gibt es nicht. Man stellt sich den Herausforderungen, die der Tag mit sich bringt – sei es, Probleme zu lösen. Ansonsten arbeiten wir an Projekten und Themen und versuchen, technologisch auf dem neuesten Stand zu sein.
Jeder Tag ist ein bisschen anders. Daniel, du bist Softwareentwickler bei KSG und begleitest die digitale Transformation. Kannst du erzählen, ob ihr eigentlich zusammenarbeitet? Seid ihr ein Team? Wie gestaltet sich eure Zusammenarbeit?
Daniel W.
Ronny ist in Infrastrukturthemen unterwegs und in Kommunikation mit Firmen und Maschinen eingebunden. Ich bin eher auf der Softwareseite tätig, auch datenbanktechnisch stark integriert, und betreue die Plattform, die bei uns im Haus eingesetzt wird.
Sehr schön. Zur Plattform kommen wir gleich noch. Ich bin gespannt, mehr darüber zu erfahren.
Jetzt zu Daniel Schaeffler. Du bist Product Owner bei Schaeffler Digital Solutions und verantwortest dort unter anderem die Lösung autinityDAP, die mittlerweile auf über 16.000 Maschinen weltweit im Einsatz ist. Du bringst über 14 Jahre Erfahrung im Produkt- und Projektmanagement mit. Vielleicht kannst du ein wenig über dich erzählen oder auch zurückblicken: Was hat sich bei Schaeffler Digital Solutions in den letzten zwei Jahren getan? Wie siehst du den IoT-Markt?
Daniel K.
Zwei konkrete Treiber haben sich in den letzten Jahren herauskristallisiert. Erstens die Digitalisierung, die allumfassend und präsent ist – speziell im Hinblick auf die effizientere Umsetzung von Betriebsabläufen. Das dient einerseits der Kosteneinsparung, andererseits der Wettbewerbsfähigkeit. Ein weiteres zentrales Thema ist Nachhaltigkeit, besonders beim Energieverbrauch und der Ressourcennutzung. Hinzu kommen Edge Computing, Vorverarbeitung, Sicherheit und natürlich künstliche Intelligenz, die immer stärker in den Alltag vordringt und auf der unsere Lösungen aufsetzen.
Ja, sehr spannend. Vielleicht da mal direkt die Frage, wie habt ihr euch jetzt eigentlich kennengelernt? Also ihr sitzt jetzt heute hier zu dritt. Wie kam das denn eigentlich zustande? Gibt es eine Story hinter den Firmen oder eine persönliche Story? Oder wie kommt das zustande?
Ronny
Im Jahr 2022 waren wir an beiden Standorten dabei, ein Digitalisierungsprojekt für die Produktion umzusetzen, die Systemlandschaft aufzubauen und die Steuerung von Maschinen anzubinden. Wir suchten nach Produkten, die uns das Ganze erleichtern. Nach verschiedenen Marktrecherchen und mäßigem Erfolg sind wir auf Schaeffler Digital Solutions in Chemnitz gestoßen. Das ist nur 20 Minuten von uns entfernt. Ein Telefonat später haben wir uns in Gornsdorf zusammengesetzt und uns ein gemeinsames Bild mit Vorstellungen zur Lösung gemacht.
Schön war, dass viele der Erkenntnisse und Schlussfolgerungen, die man bei der Arbeit an einem Digitalisierungsprojekt in beiden Unternehmen gewonnen hatte, nahezu identisch waren. Die Lösungen von Schaeffler Digital Solutions waren für uns interessant und vielversprechend – so entstand unser gemeinsames Projekt.
Vielleicht noch eine Frage in Richtung Schaeffler. Daniel, bei euch gibt es ja Schaeffler Digital Solutions und gleichzeitig die Werke von Schaeffler selbst. Ihr habt also eine Lösung entwickelt, die zunächst in den eigenen Werken erprobt wurde und die ihr nun am Markt anbietet. Kann man das so sagen?
Daniel K.
Das kann man so sagen. Das lässt sich unter dem Begriff „Resell what we use“ zusammenfassen. Jede Lösung, die wir bei Schaeffler einsetzen, ist über Jahre hinweg in vielen Werken mit tausenden Maschinen erprobt. Externe Kunden wie KSG profitieren von der Expertise, die wir in den letzten 20 Jahren aufgebaut haben.
Okay, um das Projekt mit KSG besser zu verstehen: Ronny, du hast vorhin eure Systemlandschaft und die Maschinen erwähnt. Ich bin nicht täglich in der Leiterplattenfertigung unterwegs. Kannst du ein paar Beispiele nennen – wie sieht eure Systemlandschaft aus, was für Maschinen kommen zum Einsatz?
Ronny
Gehen wir vom Maschinenpark aus. Zu den zentralen Komponenten wird Daniel noch etwas sagen. Wir haben sehr komplexe Fertigungsprozesse – eine Leiterplatte kann unterschiedliche Produktionswege nehmen. Einerseits verfügen wir über CNC-Automaten, Durchlaufanlagen und chemische Anlagen, an denen Leiterplatten geätzt werden. Es ist ein sehr vielseitiges Portfolio an Maschinen und Anlagen, das wir hier im Einsatz haben.
Das Projekt ist also direkt in der Leiterplattenfertigung bei KSG verortet, konkret an eurer Fertigungslinie, die angebunden wird. Was war das übergeordnete Ziel oder die Vision in Richtung Digitalisierung?
Daniel W.
Die Digitalisierung ist für uns die Vorstufe zur Optimierung und Automatisierung in der Fertigung. Unser Ziel ist es, Transparenz und Verbesserungen in den Fertigungsprozessen zu schaffen – bis hin zur Vision, dass sich Maschinen selbstständig auf das jeweils produzierte Produkt einstellen, Stichwort Losgröße 1. Zudem wollen wir einen stabilen Maschinenbetrieb gewährleisten und die Instandhaltung sowie Wartung unterstützen und optimieren. Stichwort Predictive Maintenance.
Dafür ist es notwendig, die relevanten Daten zu erfassen und IT-seitig in einem System bereitzustellen, um das überhaupt realisieren zu können, richtig?
Daniel W.
Ein zentrales Ziel ist die Verbesserung des OEE-Werts, der viele Produktionsunternehmen interessiert. Wir wollen herausfinden, wie effektiv unser Maschinenpark genutzt wird und wie wir ihn weiter optimieren können. Das ist das Ziel, das wir mit dem Projekt verfolgen.
Okay, sehr gut. Daniel, vielleicht noch einmal aus Sicht von Schaeffler: Ihr habt dieses Projekt gestartet, das läuft vermutlich schon etwas länger. Kannst du erklären, welchen Umfang das Projekt genau hat? Was macht ihr seitens Schaeffler Digital Solutions? Welche Use Cases werden umgesetzt und was kommt von KSG?
Daniel K.
Gerne. Die Zusammenarbeit mit KSG ist für uns eine Art Pilotprojekt bzw. Proof of Concept, da wir bei KSG eine Standalone-Lösung von autinityDAP eingeführt haben – den sogenannten autinityDAP Starter. Ziel war es, einen schnellen Markteintritt zu ermöglichen, sodass grundsätzlich jedes Unternehmen eine autinity-Lösung einsetzen, testen und für eigene Use Cases anpassen kann.
Das ist auch die große Stärke, die wir mit dem DAP Starter eingeführt haben: die Möglichkeit, eigene Apps zu entwickeln und direkt auf dem Gerät zu deployen. Daraus ergeben sich zwei Use Cases, die wir im Projekt definiert haben. Der erste ist die Datenakquise, also das Auslesen von Maschinendaten. Der zweite – und entscheidende Schritt in Richtung Prozessoptimierung – ist das Schreiben in die Steuerung, basierend auf den Erkenntnissen aus den ausgelesenen Daten.
Okay, das heißt, es ist eher sozusagen ein technischer Use-Case. Zum Zweiten dieses Schreiben in die Steuerung. Warum ist das wichtig hier in dem Projekt? Also was hat es damit auf sich?
Daniel W.
Unser Ziel ist, die Fertigung effizient auszulasten und gleichzeitig eine hohe Qualität zu erreichen. Dafür ist es wichtig, dass die Leiterplatten mit den richtigen Parametern produziert werden. Ziel ist, dass die Programme, die für eine bestimmte Leiterplatte erforderlich sind, aus unserem ERP-System direkt in die Maschine übertragen werden. So wird der Mitarbeiter vor Ort entlastet und kann sich auf die eigentliche Fertigung konzentrieren.
Was ist in so einem Rezept konkret beschrieben? Zum Beispiel bei einem Ätzvorgang – was bedeutet ein Rezept für euch?
Daniel W.
Das ist eine gekoppelte Anlage mit mehreren Modulen. Jedes Modul besteht aus verschiedenen Bädern, die entsprechend gemischt und in Bewegung gehalten werden müssen. Manche Bäder müssen beheizt werden, damit der Prozess korrekt abläuft. Ein Beispiel ist die Bandgeschwindigkeit – sie muss konstant sein, damit die Leiterplatte gleichmäßig durchläuft und benetzt wird. In einem Rezept sind also Parameter wie die Bandgeschwindigkeit, Drücke, Sprühverhalten der Flüssigkeiten und die Motorsteuerung hinterlegt. Es handelt sich um sehr detaillierte Angaben.
[11:52] Herausforderungen, Potenziale und Status quo – So sieht der Use Case in der Praxis aus
Gibt es KPIs oder Kennzahlen, die für euch besonders wichtig sind? Ihr hattet bereits über Qualitätsverbesserung gesprochen. Wie zeigt ihr, dass das Projekt am Ende ein Erfolg ist?
Daniel W.
Für uns ist es in erster Linie eine technische Erprobung des Schaeffler-Produkts, das in unsere bestehende Plattform integriert werden soll. Der erste wichtige Schritt ist, dass wir die Lösung gut einbinden können, dass die Use Cases umsetzbar sind und wir die Integration in unsere Systemlandschaft reibungslos realisieren können.
Okay, macht Sinn. Wenn man sich jetzt euren IT-Alltag anschaut – könnt ihr noch etwas mehr über die technischen Herausforderungen berichten, bevor ihr autinityDAP genutzt habt? Gab es besondere Aufwände oder Bereiche, in denen ihr viel Zeit verloren habt, sodass Digitalisierung dort besonders sinnvoll war?
Ronny
Eine zentrale Herausforderung, die sicher viele Produktionsunternehmen kennen, ist der heterogene Maschinenpark mit unterschiedlichsten Herstellern und Steuerungstypen. Wir müssen bidirektional mit diesen Maschinen kommunizieren – also Daten aus der Steuerung auslesen und gleichzeitig Informationen an die Maschinen übergeben.
Die Ausgangslage war dabei alles andere als ideal, denn es gibt keine einheitlichen Schnittstellen. Bisher mussten wir, sofern verfügbar, die Software der jeweiligen Maschinenhersteller nutzen. Das bedeutete: viele Hersteller, viele Insellösungen, viele Datentöpfe – oder im schlimmsten Fall individuell entwickelte Lösungen pro Maschinentyp.
Du meinst damit, wenn man zum Beispiel eine Siemens-Steuerung nutzt, dann braucht man die passende Software von Siemens – und beim ERP-System sieht das wieder ganz anders aus?
Ronny
Beide Varianten sind aufwendig und fehleranfällig. Schaeffler Digital Solutions unterstützt uns hier mit autinityDAP, indem uns viele Schnittstellen über eine einheitliche Oberfläche zur Verfügung gestellt werden. Damit können wir die Anbindung an die Steuerungen effizient umsetzen. Es fungiert wie ein universeller Dolmetscher zu unserer einheitlichen Kommunikationsplattform bei KSG. Ein weiterer Vorteil ist die Skalierbarkeit. In einer späteren Ausbaustufe lässt sich das Ganze zentral über die Central Tech Library verwalten.
Okay, interessant. Daniel, aus Sicht von Schaeffler – das Thema heterogene Maschinenanbindung begegnet euch wahrscheinlich täglich. Möchtest du das ergänzen oder unterstreichen?
Daniel K.
Ich möchte das unterstreichen – mit dem Hinweis, dass es eine unserer Stärken ist, einen heterogenen Maschinenpark abzubilden, wie Ronny es bereits beschrieben hat. Nicht nur KSG steht vor dieser Herausforderung, auch Schaeffler selbst hat eine ähnliche Ausgangslage. Das war auch einer der Gründe, warum wir DAP so breit aufgestellt haben, was Schnittstellen und Konnektivität bedeutet. Damit wir einen Großteil der Maschinen out of the box anbinden können. Sollte das einmal nicht möglich sein, sind wir in der Lage, eigene Konnektoren zu entwickeln, um bei bestimmten Steuerungen eine Schnittstelle herzustellen.
Habt ihr schon Best Practices aus dem Projekt rausziehen können oder ist es noch viel zu früh dafür?
Daniel K.
Ein Best Practice aus Schaeffler-Sicht ist definitiv der bereits erwähnte autinityDAP Starter. Er ist eine schnelle, einfache und kostengünstige Möglichkeit, Konnektivität im Unternehmen einzuführen – ohne sofort eine komplette Werksvernetzung anstreben zu müssen. Eine Maschine, ein Gerät, eine Box – und man hat direkten Zugriff auf Maschinendaten. Daraus lassen sich weitere Use Cases ableiten, Mehrwerte erkennen und schrittweise skalieren. Das ist eine der wichtigen Erkenntnisse aus diesem Projekt.
Spannend. Gibt es von KSG-Seite noch Ergänzungen aus eurer Praxis?
Ronny
Ich würde das unterschreiben, was Daniel gesagt hat. Genau das ist oft die Unbekannte bei der Implementierung einer Lösung. Erst im laufenden Betrieb erkennt man die Möglichkeiten und bekommt Ideen, wie man die Lösung weiter nutzen kann. Darauf zielt auch unser Proof of Concept ab.
In einer früheren Folge mit Schaeffler hatte Stefan Soutschek, euer IT-Leiter in der Digitalisierungs-Unit, das Beispiel genannt, dass es wichtig ist, nicht 20 verschiedene Namen für denselben Wert zu verwenden – etwa „Stückzahl“ einmal als deutsches Wort, dann wieder als „Part Counter“. Das führt zu Inkompatibilitäten in der Systemlandschaft. Ist das nicht genau das Engineering, das man standardisieren sollte? Wie seht ihr das bei Schaeffler?
Daniel K.
Nicht nur könnte, sondern genau das machen wir. Das ist der Ansatz, den wir mit unserer Central Tech Library verfolgen. Der Begriff „Central“ und „Library“ deutet das bereits an. Wir erstellen digitale Zwillinge der Maschinen und normalisieren die Daten mit sogenannten Tags. Der von dir genannte Stückzähler – der „Part Counter“ – gilt dann einheitlich für jede Maschine und jede Steuerung, die ausgelesen wird, und ist über diesen Tag bzw. das zugehörige Label standardisiert und damit vergleichbar.
Okay, das heißt, ihr könntet auch Rezepte, die an die Maschine übergeben werden, oder andere Daten anbinden? Das spielt keine Rolle, ihr könntet grundsätzlich alle Daten integrieren?
Daniel K.
Genau, das ist der Ansatz. Die zentrale Komponente ist, dass wir global einheitliche Labels definieren – zum Beispiel für die Stückzahl.
Und Daniel von KSG, du hattest ja vorhin erwähnt, dass ihr unterschiedliche Daten nutzt, die aus verschiedenen Systemen stammen. Das wäre jetzt auch genau das, was ihr aktuell testet – also zu prüfen, wie man solche Daten anbinden kann. Kannst du ein paar Beispiele nennen, um welche typischen Daten es sich handelt?
Daniel W.
Ich hatte bereits von den Rezepten gesprochen. Besonders relevant sind für uns die Zustandsdaten der Maschinen – etwa ob sie gerade laufen, sich in Wartung befinden, Fehler aufgetreten sind oder Alarme vorliegen. Diese Informationen sind für uns sehr interessant. Dazu kommen technische Parameter wie Temperaturen oder die Stabilität von Wasserbädern. Wir möchten vorhandene Maschinendaten nutzen, um eine Überwachung zu implementieren. Bis hin zum Energiezähler, was wir auch aktuell als Thema haben, um die Energieverbräuche aufzuzeichnen und daraus ableiten, wie viel Energie pro Produkt benötigt wird. Insgesamt haben wir ein Set von etwa 30 Merkmalen, die wir an der Maschine abfragen oder setzen, unter anderem im Zusammenhang mit den Rezepten.
Was waren die technologischen Anforderungen an die Lösung? Warum gerade autinityDAP? Ihr habt gesagt, ihr habt euch viel am Markt umgesehen. Gab es bestimmte Kriterien, die euch wichtig waren, damit das Projekt erfolgreich wird?
Daniel W.
Für uns, Daniel von KSG, war die zentrale Anforderung das Schreiben von Daten an die Maschine. Eine große Stärke der autinityDAP-Lösung ist, dass man dort eigene Apps aufspielen und selbst programmieren kann. Dadurch entsteht ein hoher Freiheitsgrad, um eigene Abläufe umzusetzen. Jede Leiterplatte, die produziert wird, trägt eine interne Kennung. Diese wird über ein Lesegerät ausgelesen und dient dazu, im ERP-System nachzuschauen, welches Rezept hinterlegt ist. Wenn kein passendes Rezept vorhanden ist, kann die Maschine automatisch anhalten. Auch wenn ein falsches oder veraltetes Rezept hinterlegt ist, das zum Beispiel nicht mehr auf der Maschine vorhanden ist, lässt sich das mit der Lösung gut umsetzen. So kann eine bessere Produktionsqualität erreicht werden.
[19:37] Lösungen, Angebote und Services – Ein Blick auf die eingesetzten Technologien
Habe ich das richtig verstanden: Es gibt Applikationen, die man selbst entwickeln kann? Diese laufen auf Software-Ebene, also handelt es sich um SaaS-Applikationen? Welche Art von Apps sind das genau?
Daniel K.
autinityDAP bringt eine Reihe integrierter Apps mit, die für die Umsetzung verschiedener Use Cases notwendig sind. In diesem Projekt, bei dem es um das Schreiben in eine Steuerung geht, haben wir uns mit KSG darauf verständigt, dass sie eine eigene App entwickeln. So lassen sich die internen Geschäftsprozesse gezielter abbilden und Änderungen schneller umsetzen. Das ist eine Neuerung, denn nur wenige Anbieter stellen ein entsprechendes Ökosystem bereit. Wir bieten mit unserer standardisierten Plattform die Möglichkeit, eigene Apps zu entwickeln. Gleichzeitig begleiten wir diesen Prozess durch Beratung. Dadurch entsteht eine flexible Basis für unterschiedlichste Use Cases, deren Anzahl nur durch die Entwicklungskapazitäten des Kunden begrenzt ist. Wenn KSG künftig eine weitere App auf dem DAP einsetzen möchte, ist das jederzeit möglich. Ich glaube, das ist eine ganz charmante Lösung, die wir da haben.
Eine weitere App könnte zum Beispiel die bereits erwähnte Energiezähler-Anwendung sein. Ich glaube, dazu habt ihr bereits eigene Lösungen?
Daniel K.
Für diesen Bereich bieten wir bereits eigene Lösungen an. KSG müsste dafür keine eigene Entwicklung aufsetzen. Aber für andere Anwendungsfälle, die nicht durch unsere Standardlösungen abgedeckt sind, lässt sich das System ebenfalls nutzen – mit oder ohne Benutzeroberfläche. Technologisch basiert das Ganze auf einer containerbasierten Architektur, wodurch es sicher und klar abgegrenzt ist. Ich halte das für eine sehr charmante und generische Lösung.
Das heißt, ich kann eigene Apps entwickeln und gleichzeitig auf bestehende Anwendungen zurückgreifen. Die technische Grundlage bildet dabei autinityDAP, eine containerbasierte Plattform. Im Prinzip ist das eine IT-OT-Integrationsschicht oder Middleware, die es ermöglicht, Daten aus dem Shopfloor zu integrieren – aber auch zum Beispiel aus dem ERP-System.
Daniel K.
Das Ganze ist ein Ökosystem, nicht nur das eine DAP. Wir sprechen über eine Runtime, die auf dem Edge Device, also auf dem IPC, läuft und direkt mit der Maschine verbunden wird. Dazu kommt das DAP Board für die zentrale Orchestrierung der dezentralen IPCs, das weltweit eingesetzt werden kann. Ergänzt wird das durch die Central Tech Library, die die Konfiguration der Maschinendaten ermöglicht. Alles basiert auf einer Containerarchitektur und ist maximal skalierbar, so wie wir es bei Schaeffler weltweit umsetzen.
Wie vernetzt man unterschiedlichste Maschinen effizient mit einem einheitlichen Standard? Es wurde ja schon angesprochen, dass ein heterogener Maschinenpark vorhanden ist, mit teilweise älteren Maschinen, die vielleicht nicht einmal OPC UA unterstützen. Wie geht ihr damit um? Wie lassen sich solche Maschinen einheitlich anbinden?
Daniel K.
Wir bieten eine ganze Reihe an unterstützten Protokollen. Das umfasst Industrieprotokolle wie OPC UA und MQTT, aber auch direkte Anbindungen an Steuerungen von Herstellern wie Siemens oder FANUC. Insgesamt stehen über fünfzig Konnektoren zur Verfügung. Bei Bedarf entwickeln wir weitere Konnektoren. Innerhalb von Schaeffler haben wir bereits den Großteil der gängigen Konnektoren umgesetzt. Und im Fall von KSG haben wir an den Stellen, an denen es notwendig war, entsprechend ergänzt. Wir haben damit die Basis geschaffen, jede Maschine anzubinden.
Frage in Richtung KSG: Welche Daten nutzt ihr konkret, oder habt ihr spezielle Protokolle, die ihr anbinden wollt?
Daniel W.
Aus dem Portfolio, das Daniel von Schaeffler genannt hat, nutzen wir konkret OPC UA für eine Maschine, Profinet für die Anbindung des Lesegeräts und MQTT als Schnittstelle für die Kommunikation mit unserem ERP-System.
Und noch eine letzte Frage dazu: Wie stellt ihr sicher, dass die strukturierten Daten so bereitgestellt werden, dass sie für alle Use Cases nutzbar sind? Das betrifft auch das Beispiel von vorhin mit der Stückzahl. Diese muss ja einheitlich benannt werden. Wie gelingt es euch, diese Struktur durchgängig aufzubauen?
Daniel K.
Das ist die Aufgabe der genannten Central Tech Library, und wir verwenden dafür Labels. Es kann eine Vielzahl an Labels geben. Jedes Label hat eine Aufgabe – die Standardisierung. So werden alle Teile und Zähler gelabelt. Es gibt dann zum Beispiel das eine Label „Stückzähler“, das an das MES gesendet wird, und das gilt für alle Use Cases, bei denen Stückzahlen gelesen werden sollen.
Daniel von KSG hatte vorhin erwähnt, dass ein falsches Rezept hinterlegt sein kann. Die Rezepte tragen dann wahrscheinlich auch einheitliche Bezeichnungen oder das ist zumindest das Zielbild, um Unordnung bei Dateibenennungen zu vermeiden?
Daniel K.
Das ist Teil der Konfiguration, die weiterhin individuell pro Maschine erfolgt. Es gibt das Lesen von Daten und das Schreiben von Daten. In unserem Proof of Concept wird beides über die KSG-App gesteuert – mithilfe der Labels, die das Ganze standardisieren.
Wie sieht das Endergebnis für den Nutzer aus? Welche Rolle spielt die Visualisierung im Alltag, und wie sehen die Dashboards aus? Könnt ihr dazu etwas sagen?
Daniel K.
Die Visualisierung steht für uns aus DAP-Sicht zunächst nicht im Vordergrund. Im ersten Schritt geht es darum, Daten zu erfassen und bereitzustellen. Die Visualisierung ist für uns ein nachgelagerter Prozess, der zur Auswertung genutzt werden kann – etwa für Predictive Maintenance oder Prozessoptimierung. Unser Ziel ist es, die Daten zur Verfügung zu stellen und, wenn nötig, auch in Prozesse einzugreifen. Soweit ich weiß, nutzt KSG eigene Tools, um dort, wo nötig, Visualisierungen zu erzeugen.
Daniel W.
Wir setzen auf verschiedene Open-Source-Tools. Die Datenerfassung endet in einer PostgreSQL-Datenbank. Die Visualisierung erfolgt mit Grafana. Für die Transformation der Daten von MQTT in die Datenbank verwenden wir Node-RED. Daraus entsteht eine Anwendung, die wie ein Fahrtenschreiber funktioniert. Sie erfasst die Maschinenzustände und stellt sie visuell dar. Man sieht, wann eine Maschine in Betrieb war und wann nicht. So lassen sich gezielt Maßnahmen ableiten. Außerdem können wir auf dieser Basis den OEE-Wert ermitteln und bereitstellen.
[26:09] Übertragbarkeit, Skalierung und nächste Schritte – So könnt ihr diesen Use Case nutzen
Für alle, die gerade zuhören und ähnliche Fragestellungen haben: Ich verlinke die Kontaktdaten von beiden Daniels und Ronny in den Show Notes, gerne zu den jeweiligen LinkedIn-Profilen – für einen Austausch zu Best Practices. Ich habe selbst noch ein paar Fragen im Kopf, möchte die Folge aber nicht überfrachten. Deshalb noch eine letzte Frage an Schaeffler: Daniel, welche Use Cases plant ihr als Nächstes? Gibt es neue Features, die man von Schaeffler Digital Solutions erwarten darf?
Daniel K.
Ich kann das gerne zusammenfassen. Wir haben mit KSG das Schreiben in Steuerungen im externen Markt pilotiert. Jetzt wollen wir das Konzept generischer gestalten und breiter aufstellen. Aktuell pilotieren wir das im Bereich AGVs mit einem Partner innerhalb von Schaeffler. Ziel ist es, das Schreiben zur gängigen Praxis zu machen und die zuvor genannte Prozessoptimierung zu erreichen.
Von KSG-Seite habe ich verstanden, dass ihr noch weitere Use Cases in Planung habt. Könnt ihr dazu schon etwas sagen?
Ronny
Selbstverständlich. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Proof of Concept wollen wir weitere Use Cases identifizieren und die Lösung möglichst schnell auf größere Teile des Maschinenparks ausweiten.
Vielen Dank, dass ihr heute dabei wart. Wenn es noch Fragen gibt, gerne im Nachgang vernetzen. Ich werde weiterführende Links zu autinityDAP und zum Thema Apps in die Show Notes einfügen. Vielen Dank auch für die praxisnahe Einblicke. Es ist immer spannend, direkt aus der Leiterplattenfertigung zu hören, wo die Herausforderungen liegen und wie mit Standardisierung und Skalierbarkeit im Datenhandling gearbeitet wird. Darauf aufbauend entstehen datengetriebene Use Cases und Applikationen. Vielen Dank an euch alle. Ich übergebe euch gern das letzte Wort.
Ronny
Vielen Dank, dass wir am Podcast teilnehmen durften. Wir wünschen allen viel Erfolg bei der Digitalisierung ihrer Produktion. Bis bald!
Daniel W.
Ich schließe mich die Wünsche von meinem Kollegen an.
Daniel K.
Vielen Dank für die Einladung und vielen Dank an KSG für die gute Zusammenarbeit. Bis zum nächsten Mal.
Vielen Dank, macht’s euch eine schöne Restwoche. Macht’s gut, ciao.
Daniel K.
Ciao!