In der 138. Folge des IoT Use Case Podcasts spricht Ing. Madeleine Mickeleit mit Marcel Scheidig, Head of Technology beim Metalloberflächenveredler C. Jentner GmbH und Timm Asprion, Account-Manager Digitalization, von der SICK AG. Thema ist die Implementierung von Echtzeit-Lokalisierungslösungen zur Optimierung von Produktions- und Logistikprozessen. Im Fokus stehen die spezifischen Herausforderungen und Use Cases im Bereich der Metallveredelung bei C. Jentner sowie die Technologien und Systeme, die SICK bereitstellt, um Abläufe transparenter und effizienter zu gestalten.
Folge 138 auf einen Blick (und Klick):
Podcast Zusammenfassung
In dieser Folge dreht sich alles um die Anwendung von Echtzeit-Lokalisierungstechnologien in der Produktion und Logistik und wie diese Prozesse revolutioniert werden können. Marcel Scheidig von C. Jentner erklärt, wie sie mithilfe von Ultra-Wideband (UWB)-Technologie ihre Warenträger und Flurförderzeuge in der Galvanik genau verfolgen können. Dies verbessert die Transparenz und Effizienz der Produktionsabläufe erheblich, insbesondere in einer Umgebung, in der traditionelle Technologien wie RFID an ihre Grenzen stoßen.
Das von SICK implementierte Tag-LOC System in Kombination mit der Asset Analytics Software ermöglicht präzise Echtzeitdaten und bietet die Möglichkeit, diese direkt in ERP-Systeme zu integrieren und über JSON-Schnittstellen weiterzuverarbeiten. Spaghetti-Diagramme und die Kapazitätsplanung sind zentrale Funktionen, die den Produktionsleitern helfen, die Effizienz weiter zu steigern. Timm Asprion von SICK erläutert die technische Umsetzung und die Flexibilität ihrer Lösung, die mit wenigen Antennen auskommt und robuste, präzise Ergebnisse liefert. Es wird auch betont, dass SICKs breites Portfolio, das von RFID bis hin zu LIDAR-Sensorik reicht, entscheidend für die erfolgreiche Implementierung war.
Die Diskussion zeigt, wie wichtig es ist, digitale Lösungen zu integrieren, um Prozesse zu optimieren und den Überblick über Produktionsressourcen zu behalten. Es wird hervorgehoben, wie das Projekt bei C. Jentner zur besseren Kapazitätsplanung und Optimierung der Produktionswege beiträgt. Die Folge endet mit einem Ausblick auf zukünftige Erweiterungen und die Bedeutung eines schrittweisen Ansatzes bei der Digitalisierung.
Podcast Interview
Heute spreche ich über Use Cases im Bereich der Echtzeit-Lokalisierung und wie sie Produktions- und Logistikprozesse komplett verändern können. Dazu habe ich spannende Gäste eingeladen. Mit dabei ist Marcel Scheidig von der Firma Jentner, einem mittelständischen Unternehmen in der Metallveredelung, das in der Praxis sehr interessante Ansätze verfolgt. Außerdem begrüße ich Timm Asprion von der SICK AG, einem Hersteller von Automatisierungsanlagen, der sich im Bereich IoT als ganzheitlicher Lösungsanbieter etabliert hat. Wir werden beispielsweise erläutern, warum die präzise Echtzeitverfolgung von Flurförderfahrzeugen, Ladungsträgern und Materialien so entscheidend ist, welche spezifischen Use Cases für Jentner von Bedeutung sind und welche Technologien und Systeme eingesetzt werden, um Abläufe transparenter und effizienter zu gestalten. Wenn ihr wissen wollt, wie moderne Technologien die Industrie nach vorne bringen und welche Herausforderungen dabei wirklich zählen, bleibt dran. Alle Infos wie immer in den Show Notes oder unter www.iotusecase.com. Viel Spaß bei dieser Folge!
Hallo Timm, hallo Marcel. Wie geht’s euch? Marcel, wie geht’s dir und wo bist du gerade?
Marcel
Hallo Madeleine, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, dass wir hier zusammen mit der Firma SICK über unser IoT-Thema sprechen können. Mir geht es gut, und ich bin gespannt auf unseren Podcast und die Themen, die wir besprechen werden.
Sehr schön. Timm, wo bist du gerade?
Timm
Hallo Madeleine, hallo Marcel. Ich bin aktuell in Düsseldorf. Ich komme aber aus der Nähe von Stuttgart, was man vielleicht am Dialekt erkennt. Gestern hatten wir ein Team-Event, und jetzt nehme ich von hier aus auf.
Sehr schön. Marcel, könntest du dich kurz vorstellen? Wer bist du und was genau machst du bei Jentner?
Marcel
Gerne. Ich heiße Marcel und arbeite seit acht Jahren bei der Firma Jentner in Pforzheim, Baden-Württemberg. Ich habe Chemieingenieurswesen am KIT in Karlsruhe studiert und mich dort intensiv mit galvanischen Prozessen beschäftigt. Während des Studiums habe ich als Werkstudent in einer Bandgalvanik gearbeitet und wertvolle Einblicke in die Galvanikprozesse gewonnen. Seit ich bei der Firma Jentner bin, hat sich mein Fokus von der Chemie hin zur Digitalisierung verschoben. Mein Studium wende ich kaum noch an, da ich mich nun hauptsächlich mit Digitalisierungsthemen beschäftige.
Bevor ich auf euer Kerngeschäft zu sprechen komme, Timm, wer bist du und was genau machst du bei der SICK AG?
Timm
Ich heiße Timm und wie bereits erwähnt, kommen wir aus dem Großraum Stuttgart. Wir sind deutschlandweit mit unserem Außendienst unterwegs und unterstützen unsere Kunden dabei, Digitalisierungsprojekte umzusetzen. Digitalisierung ist ein sehr weiter und umfangreicher Begriff, aber um es konkret zu machen, konzentrieren wir uns hier auf Lokalisierungsprojekte. Dabei spielt die richtige Software eine entscheidende Rolle, und deshalb unterstütze ich in diesem Bereich.
Sehr schön. Liebe Grüße an die Region Stuttgart und natürlich an alle, die zuhören. Und auch Grüße ans KIT in Karlsruhe.
Wie kam diese Runde heute zustande? Warum sitzt ihr zusammen hier? Könnt ihr mich da kurz abholen?
Timm
Marcel ist einer unserer Kunden, der ein Lokalisierungsprojekt mit uns umgesetzt hat. Ich freue mich, dass Marcel das Interesse hat, die Lösung aus Kundensicht zu präsentieren.
Marcel
Ich kann kurz ein paar Punkte anstoßen, die wir später besprechen werden. Bei uns geht es um Lokalisierungslösungen. Wir wollten unsere Warenträger tracken und damit Prozesse steuern. Vor einigen Jahren haben wir mit RFID-Technik begonnen. Vor zwei Jahren kam der Kontakt mit der Firma SICK zustande, weil wir ein System suchten, das unsere Warenträger besser trackt. So kamen wir auf die Lokalisierungslösung Asset Analytics von SICK, die mit einem Ultra-Wideband-System eine Art Indoor-GPS erzeugt. Uns war wichtig, ein System zu finden, das leicht zu installieren ist und stabil unter unseren Prozessbedingungen läuft. In der Galvanik hat man keine optimalen Umgebungsbedingungen für WLAN oder Bluetooth, da es viele Dämpfe, hohe Luftfeuchtigkeit und viel Metall gibt. Deshalb suchten wir ein robustes System und kamen so in Kontakt mit SICK.
Verstehe. Galvanisieren gehört zur Oberflächentechnik und Oberflächenveredelung, richtig? Es geht um die metallverarbeitende Industrie, insbesondere um das Beschichten von Werkstoffen, oder?
Marcel
Genau. Ich kann noch etwas zur Firma Jentner sagen. Wir sind ein mittelständisches Unternehmen in Pforzheim mit etwa 50 Mitarbeitern. Die Firma wurde in den 70er Jahren gegründet und wird nun vom Sohn des Gründers geleitet. Wir spezialisieren uns auf die Beschichtung von Kundenware und sind ein reiner Lohndienstleister. Wir haben Tausende von Kunden und ebenso viele verschiedene Artikel. Unsere Hauptkunden sind aus dem Medizinbereich, wo wir OP-Besteck mit Silber beschichten, um antibakterielle Eigenschaften zu erzielen. Wir sind aber auch in der Elektrotechnik und Elektromobilität tätig und vergolden z.B. Steckkontakte. Auch in der Luft- und Raumfahrt sind wir aktiv, indem wir Antennenmodule beschichten.
Schön. Du hast Warenträger erwähnt. Sind wir hier im Logistik- oder Produktionsbereich oder ist es übergreifend? Wo findet dieses Projekt statt?
Marcel
Warenträger können grundsätzlich überall eingesetzt werden, sei es in der Logistik oder in der Produktion. Bei uns werden sie sowohl für Kleinserien als auch für Volumenaufträge im manuellen Betrieb eingesetzt. Unsere Warenträger haben eine Größe von 50 x 50 Zentimetern, also relativ klein. Im manuellen Prozess bestücken wir die Warenträger per Hand mit den Artikeln, die dann durch unsere Galvanikprozesse geführt werden. Wenn man das System auf die Logistik überträgt, kann man natürlich auch Auftragsboxen oder KLT-Systeme tracken. Das System deckt also den gesamten Wertstrom ab.
Verstehe. Ich habe dazu noch ein paar Fragen, aber zunächst möchte ich klären, wer bei eurem Projekt welche Rolle spielt. Timm, viele kennen SICK wahrscheinlich aus der Automatisierung. Jetzt seid ihr auch im IoT-Bereich als Lösungspartner tätig. Wer tut was in der Realisierung?
Timm
Im Konkreten läuft es so ab, dass unsere Vertriebsmannschaft, die in engem Kontakt mit unseren Kunden steht, deren aktuelle Themen und Herausforderungen erfasst. Besonders im Bereich der Lokalisierung gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Use Cases. Bei Marcel beispielsweise geht es um die Galvanisierung. Das Interessante an der Lokalisierung ist, dass nahezu alles—Assets, Tracker, Lokalisierer—identifiziert werden kann. Wir sind in diesem Bereich sehr vielseitig aufgestellt und offen für die Ideen unserer Kunden.
Der Prozess beginnt in der Regel mit dem Erstkontakt, der über den Kundenbetreuer der Firma SICK hergestellt wird. Wenn es um Lokalisierungsthemen geht, werde ich eingebunden und unterstütze den Vertriebsaußendienst. Zusätzlich steht ein Team von Programmierern im Hintergrund bereit, das individuelle Lösungen entwickelt und umsetzt, sodass wir unseren Kunden alles aus einer Hand bieten können.
Wenn ihr ein solches Projekt umsetzt, liefert ihr dann sowohl die Hardware als auch die dazugehörigen Software-Systeme? Wie genau sieht eure Rolle bei der Umsetzung solcher Projekte aus, insbesondere im Hinblick auf euer Produktportfolio?
Timm
Wir haben ein breites Produktportfolio für die Identifizierung, von RFID und Barcodelesern bis hin zu UWB-Technologie und LIDAR-Sensorik. Wir verfügen über eine sehr breite Palette an Hardware, die wir in unsere Lokalisierungssoftware integrieren können, um Lokalisierungsdaten zu erfassen. Mit der Software können wir dann weitere Schritte unternehmen und individuelle Schnittstellen für den Kunden schaffen, um diese Daten weiterzuverarbeiten. In einigen Fällen können wir die Daten auch direkt in ERP-Systeme integrieren. Das ist jedoch kundenspezifisch und wird individuell angepasst.
Sehr gut. Marcel, du hast das Unternehmen bereits vorgestellt. Jetzt würde ich gerne eure Vision im Bereich der Digitalisierung besser verstehen. Welche neuen Kundenanforderungen, vielleicht auch branchenspezifisch, seht ihr? Was ist eure Vision für die Digitalisierung, insbesondere im Umgang mit IoT-Daten für eure Kunden?
Marcel
Unsere Vision ist es, unseren Kunden eine digitale Produktionsakte zur Verfügung zu stellen, die alle relevanten Informationen zu unseren Beschichtungen enthält—von den Prozessparametern über die Durchlaufzeiten bis hin zum gesamten Lebenszyklus eines Werkstücks, von der Herstellung, z.B. durch Fräsen, bis zum Ende der Nutzungsdauer. Dabei geht es unter anderem um den CO2-Fußabdruck oder die Haltbarkeit der Beschichtung im Einsatz, etwa bei Steckkontakten oder OP-Besteck. Indem wir diese Daten mitliefern, möchten wir unseren Kunden einen echten Mehrwert bieten.
Ihr möchtet also mehr mit Daten arbeiten und den Kunden tiefere Einblicke bieten, wie etwa die Haltbarkeit der Beschichtung und andere datengetriebene Informationen.
Marcel
Genau. Unsere Kunden können uns auch Feedback geben, das uns hilft, unsere Beschichtungen weiter zu verbessern. Da wir Lohndienstleister sind, wissen wir oft nicht genau, wie und wo die beschichteten Teile eingesetzt werden. Dieses Feedback ist für uns sehr wertvoll.
Das würde ich mir gerne vor Ort anschauen. Es wäre spannend, einmal durch eure Fertigung zu gehen. Gibt es ein Event oder eine Möglichkeit, das zu tun?
Marcel
Ja, gerne. Du kannst jederzeit vorbeikommen. Wir haben in Zusammenarbeit mit der IHK Nordschwarzwald und der Firma SICK ein Event am 26. September geplant, bei dem wir interessierte Kunden einladen, um unsere Lösungen vor Ort zu präsentieren.
Fantastisch! Wenn ihr zuhört und Interesse habt, kommt vorbei, am 26.09. bei Jentner vor Ort. Ich packe den Link zur Anmeldung in die Show Notes. Ich schaue auch gleich in meinen Kalender, ob ich dabei sein kann.
Timm
Falls jemand am 26.09. verhindert ist, wir haben das System auch in unserem Hauptsitz in Waldkirch, nahe Freiburg. Interessierte sind herzlich eingeladen, sich das System auch dort anzuschauen. Gerne könnt ihr euch direkt bei mir melden.
Das ist wichtig, da viele das vielleicht erst nach September hören. Falls ihr es verpasst, ich packe den Link in die Show Notes – schaut mal rein, dann könnt ihr euch im Nachgang direkt mit Timm in Verbindung setzen.
[13:05] Herausforderungen, Potenziale und Status quo – So sieht der Use Case in der Praxis aus
Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es heute um die Technologien und das System zur Positionierung bestimmter Ladungsträger. Marcel, du hast bereits angedeutet, dass es um Echtzeitlokalisierung geht. Sind das die Haupt-Use Cases, die ihr in der Fertigung und Logistik umsetzt?
Marcel
Ja, genau.
Wie entstand eigentlich die Idee für dieses Projekt, und was war der Business-Case oder die geschäftliche Herausforderung für euch und eure Kunden, die euch dazu veranlasst hat, damit zu starten? Was ist der Hintergrund?
Marcel
Wir sind eine Lohngalvanik und haben ein breites Spektrum an Artikeln, die wir beschichten. Unsere Elektrolyte umfassen Nickel, Kupfer, Gold, Rhodium und Palladium. Stell dir vor, du bist Galvaniseur und bekommst einen bestimmten Warenträger, aber das Rohwarenlager ist voller unzähliger Artikel und Kunden. Unser dringender Bedarf war es, die Produktion digital zu unterstützen. Der Wunsch war, dass die Mitarbeiter einen Warenträger einscannen und sofort eine Übersicht über die Prozessschritte erhalten. Der Warenträger wird in den Elektrolyten platziert und die Beschichtungsparameter wie Stromstärke und Beschichtungszeit werden automatisch eingestellt. Der Galvaniseur muss nur noch prüfen, ob der Warenträger korrekt platziert ist. Das war der Wunsch der Galvaniseure.
Also geht es um einen Scan-Prozess der Ware, um herauszufinden, wo sie sich befindet und wie sie bestückt ist. Welche weiteren Herausforderungen gibt es für eure Galvaniseure oder Oberflächenbeschichter?
Marcel
Eine zentrale Frage war, wie wir unsere Werkstücke so beschichten, dass sie den Kundenanforderungen exakt entsprechen. Welche Parameter müssen wir dem Werkstück mitgeben, damit die gewünschte Schicht präzise aufgebracht wird? Im Bereich der Aufhängung stellte sich die Herausforderung, den Warenträger so zu bestücken, dass die Werkstücke im elektrochemischen Prozess gleichmäßig beschichtet werden—eine Aufgabe, die oft sehr komplex ist. Zudem war es unseren Produktionsleitern wichtig zu wissen, wie viele Warenträger sich aktuell in der Produktion befinden, in welchen Elektrolyten sie sich befinden, und wo es freie Kapazitäten gibt, um die Mitarbeiter effizient einzuweisen oder umzudisponieren.
Verstehe, also geht es auch um Kapazitätsplanung.
Marcel
Genau. All das kann perfekt mit dem UWB-System von der Firma SICK abgebildet werden.
Ich würde jetzt gerne auf die Technologien und das IT-System eingehen, das ihr eingesetzt habt. Vorab noch eine Frage: Gab es bestimmte technische Anforderungen oder Herausforderungen, die ihr lösen musstet? Und hattet ihr bereits Zugriff auf alle relevanten Daten, oder mussten diese erst integriert werden?
Marcel
Zu Beginn haben wir ein RFID-System eingesetzt, um zu ermitteln, wo sich welcher Warenträger in welchem Elektrolyten befindet. Wir hatten teilweise Zugriff auf die Daten, aber sie waren nicht genau genug. Das Problem war, dass die Antenne unseres RFID-Systems direkt am Elektrolyten angebracht werden musste. Da die Abstände zwischen den Elektrolyten bei uns sehr gering sind—nur etwa 30 cm—hat das System oft nicht richtig funktioniert. Die Antenne konnte den Sensor am Warenträger nicht zuverlässig einer Position zuordnen, und es kam häufig zu Fehlinterpretationen. Für die Steuerung unserer Galvanik-Prozesse, wie das automatische Einstellen von Strom und Spannung, nutzen wir unsere eigens entwickelte Software.
Verstehe. Ihr habt euch also für eine Zusammenarbeit mit SICK entschieden. Welche technischen Anforderungen waren ausschlaggebend, dass ihr sagtet, wenn diese gelöst werden, wird das Projekt erfolgreich? Warum habt ihr euch schließlich für SICK entschieden?
Marcel
Eine der größten Herausforderungen war, ein System zu finden, das robust genug ist, um in einer galvanischen Umgebung eingesetzt zu werden. Wir brauchten eine Funktechnik mit hoher Bandbreite, die nicht durch elektromagnetische Felder gestört wird. Das wichtigste Kriterium war jedoch, dass das System leicht zu installieren und zu konfigurieren ist. Im Vergleich zu RFID, bei dem wir wahrscheinlich 30 Antennen benötigt hätten, kommen wir beim UWB-System mit nur sechs Antennen aus, um eine gesamte Produktionslinie abzudecken.
[18:45] Lösungen, Angebote und Services – Ein Blick auf die eingesetzten Technologien
Timm, kannst du ein bisschen beschreiben, welche Bausteine ihr für die Lösung mitgebracht habt und welche Schritte notwendig waren, um das Ganze umzusetzen? Kannst du uns einmal durch den Prozess führen?
Timm
Sehr gerne. Im Prinzip starten wir meist damit, dass wir direkt zu unseren Kunden fahren. Dort bauen wir einfache Stative mit Antennen auf und aktivieren die Tags, um die Ausleuchtung zu überprüfen. Da wir mittlerweile viel Erfahrung gesammelt haben, wissen wir genau, wo das System an seine Grenzen stößt. Jedes Lokalisierungsprojekt beginnt also damit, dass wir die erste Antenne installieren, die Ausleuchtung prüfen und die ersten Tags aktivieren. In der Software können wir dann sofort sehen, wie präzise das UWB-System die Umgebung abdeckt.
Okay, das bedeutet, ihr habt dieses Tag-LOC-System mitgebracht. Ich glaube, das ist ein Bundle, das verschiedene Komponenten für das Lokalisierungssystem enthält. Was genau ist da drin? Welche Produkte umfasst das?
Timm
Genau, die Software wird in den meisten Fällen lokal beim Kunden installiert. Für die ersten Testumgebungen bringen wir unseren IPC mit, also einen Rechner, auf dem die Software läuft. Die Hardware besteht hauptsächlich aus verschiedenen Antennenformen—je nachdem, ob wir eine 360-Grad-Ausleuchtung oder eine Ausleuchtung in eine bestimmte Richtung benötigen—und den Tags, die wir lokalisieren wollen. So war es auch speziell bei Marcel. Manchmal kombinieren wir auch Hardware, um indirekte Lokalisierungen vorzunehmen. Zum Beispiel, wenn ein Kunde Pakete oder Paletten lokalisieren möchte, die angeliefert wurden, bringen wir auch Barcode-Reader mit. Diese scannen die Palette, und wir können dann den Gabelstapler lokalisieren. Das ist eine Form der indirekten Lokalisierung, die ebenfalls abgebildet werden kann.
Das ist ein sehr wichtiges Thema, vor allem wenn es darum geht, bewegliche Geräte wie Flurförderfahrzeuge oder andere Maschinen zu tracken. Ich habe mir gerade parallel euren schriftlichen Use Case angeschaut, um zu sehen, wie das Ganze in der Praxis aussieht. Wenn ich es mir bildlich vorstelle, sehe ich eine Antenne, die irgendwo in der Logistik oder Produktion hängt. Ihr habt dieses Tag-LOC-System im Einsatz, das, wie ich glaube, auch bei euren Elektrolyten genutzt wird. Marcel, kannst du uns genauer erklären, wie ihr das System einsetzt? Wo genau befindet sich das System in eurer Produktion?
Marcel
In der Praxis ist das System hauptsächlich in unserer Produktion im Einsatz. Wir haben mehrere Galvanikreihen, die jeweils bis zu 20 Meter lang sind. Insgesamt haben wir sieben Produktionslinien auf einer Fläche von etwa 3.500 Quadratmetern. Auf dieser Fläche haben wir insgesamt 16 Antennen von der Firma SICK installiert, die die komplette Fläche abdecken. Das Tolle daran ist, dass man die Software von SICK nutzen kann, um das Gebäude-Layout hochzuladen. Man hat dann einen 1:1-Bezug vom Indoor-GPS-System (über UWB) zu dem Gebäude-Layout. Dieses Layout kann man ganz einfach per Drag-and-Drop mit Zonen versehen. In unserem Blog-Eintrag bei SICK sieht man auch ein Beispiel für eine Draufsicht, in der Zonen eingezeichnet sind, die den Elektrolyten entsprechen. So einfach ist das.
Interessant. Jetzt stellt sich die Frage, warum ihr euch für die UWB-Technologie entschieden habt und was das eigentlich ist, für diejenigen, die es noch nicht kennen. Kannst du uns erklären, warum ihr UWB gewählt habt? Wenn ich es richtig verstanden habe, ersetzt es RFID, oder?
Marcel
Genau, das ist richtig. RFID kann lediglich sagen, dass sich ein Warenträger im Elektrolyten befindet, aber es gibt keine Informationen darüber, wo sich der Warenträger befindet, wenn er sich außerhalb des Elektrolyts bewegt, etwa zwischen zwei Stationen oder Punkten im Gebäude. Mit dem UWB-System hat man hingegen ein Echtzeit-Tracking, also eine Echtzeit-Lokalisierung. Die browserbasierte Software ist sehr benutzerfreundlich und leicht einzurichten. Man kann den Warenträger in die Hand nehmen und in Echtzeit sehen, wo er sich befindet. Zudem kann man verschiedene Berichte generieren, wie zum Beispiel ein Spaghetti-Diagramm, was ich sehr hilfreich finde. So kann man nachverfolgen, wo sich der Warenträger wie lange aufgehalten hat—etwa für die Kapazitätsplanung oder die Optimierung von Wegen, was ein sehr wichtiges Thema ist. Es ist erstaunlich, wie viel man durch das Tracking an Wegstrecken optimieren kann, sei es bei Warenträgern oder bei Flurförderfahrzeugen.
Stimmt, du hattest vorhin erwähnt, dass euer Produktionsleiter beispielsweise auch wissen will, wie es um die Kapazitätsplanung steht. Das bedeutet, dass die Software genutzt werden kann, um Analysen und Datenauswertungen durchzuführen. Das ist wirklich spannend. Timm, vielleicht kannst du noch einmal erklären, was UWB so besonders macht und warum ihr bei SICK auf diese Technologie setzt?
Timm
Auf jeden Fall geht es um die Robustheit und Zuverlässigkeit von UWB. Im Vergleich zu Bluetooth oder Wi-Fi, die in industriellen Umgebungen nicht so zuverlässig sind, bietet UWB erhebliche Vorteile. Ein weiterer Vorteil ist die hohe Genauigkeit, die bei guter Ausleuchtung auf plus/minus 15 Zentimeter kommt, was wirklich bemerkenswert ist. Das bietet enormes Potenzial für unsere Kunden. Wir kommen aus der Automatisierung, wo viele Prozesse und Maschinen bereits hochgradig automatisiert sind. Aber in Bereichen wie Wareneingang, Warenfluss, Transport und manuellen Prozessen herrscht oft noch viel Intransparenz. Hier wissen die Kunden oft nicht genau, was passiert. Manuelle Tätigkeiten werden von einer Person ausgeführt, und wenn diese Person abwesend ist, kann der ganze Prozess ins Stocken geraten. Mit UWB können wir diese manuellen Prozesse indoor lokalisieren und so mehr Transparenz schaffen.
Marcel, du hast vorhin schon erwähnt, dass ihr verschiedene Systeme im Einsatz habt, vielleicht auch IT-Systeme. Ihr habt das Lager und andere Bereiche. Ist es wichtig, andere IT-Systeme einzubinden und diese Daten zu nutzen, oder erstellt ihr die Spaghetti-Diagramme ausschließlich aus den Lokalisierungsdaten? Wie relevant ist das für euch?
Marcel
Die Software bietet umfangreiche Reporting-Funktionen, aber wir nutzen die Lokalisierungsdaten, also die Informationen darüber, wo sich die Warenträger zu bestimmten Zeiten befinden, auch für unsere eigene Software, mit der wir die Galvanik steuern. Diese Daten lassen sich sehr einfach exportieren, da die Software von SICK Webhooks bietet, die man frei konfigurieren kann, um die gewünschten Daten im JSON-Format zu übermitteln. Damit können wir Schnittstellen aufbauen, zum Beispiel zu unserer Galvaniksteuerung, um die Daten in eine SQL-Datenbank zu schreiben, etwa als Positionsdaten. Wie Timm bereits erwähnt hat, bietet die Firma SICK auch andere Systeme zur indirekten Lokalisierung an. Wir nutzen zum Beispiel eine 3D-Kamera, um unseren Wareneingang zu überwachen. Die Kamera hängt an der Decke und überwacht den Bereich. Wenn eine Palette von einem Kunden angeliefert wird, wird sie in einem markierten Bereich abgestellt. Das System kann dann automatisch eine Nachricht auslösen, die entweder in einen Teams-Kanal oder an eine spezielle Person gesendet wird, um darauf hinzuweisen, dass die Ware eingetroffen ist.
Das ist wirklich interessant. Danke für die Überleitung. Es klingt, als hättet ihr mehrere Projekte am Laufen, bei denen ihr auch Kameradaten auswertet. Das könnte fast nach einer eigenen Folge klingen, denn der Wareneingang ist ein eigener Wertstrom, in dem sich viele Potenziale heben lassen.
Marcel
Genau, wie gesagt, die 3D-Kamera im Wareneingang ist ein Beispiel. Wir tracken jetzt nicht nur unsere Warenträger, sondern auch die Ware selbst, egal ob sie im Rohzustand oder im fertigen Zustand aus der Galvanik kommt. Wir haben in unserem Lager oder im Wareneingang und -ausgang spezielle Bereiche, wie z.B. ein Fertigwarenlager und ein Halbfertigwarenlager, die wir ebenfalls überwachen können. Wenn man das Ganze weiterdenkt, kann man aus diesen Positionsdaten einen perfekten Prozessablauf erstellen. Man hat dann einen kompletten Überblick über den Warenfluss. Man weiß genau, zu welcher Zeit sich welche Ware wo befunden hat und wie lange sie dort lag, aus welchem Grund auch immer. Es könnte zum Beispiel sein, dass die Ware aufgrund von Kundenabsprachen länger liegen bleibt. Man kann auch festlegen, dass nach einem Tag ein Trigger gesetzt wird, der die Mitarbeiter daran erinnert, sich um diese Ware zu kümmern. All das geschieht zum Nutzen unserer Kunden. So erhält man eine Transparenz, die im manuellen Prozess sonst kaum möglich ist, und weiß genau, wo sich jede Ware befindet.
Vielen Dank für die Ausführungen. Mir kommen viele weitere Fragen in den Sinn, die wir vielleicht in einem Folgetermin besprechen können. Ich werde eure Kontakte in den Show Notes verlinken, damit Interessierte sich bei euch melden können.
[28:42] Ergebnisse, Geschäftsmodelle und Best Practices – So wird der Erfolg gemessen
Eine letzte Frage für heute: Es geht ja auch um Best Practice Sharing. Welche Lektionen habt ihr aus diesem Projekt gelernt, die ihr anderen mit auf den Weg geben würdet? Worauf sollte man besonders achten?
Timm
Aus meiner Sicht zeigt sich immer wieder, dass bei Lokalisierungsprojekten die Kreativität und das Potenzial unserer Kunden zum Vorschein kommen. Meistens gehen diese Projekte in die nächste Runde und werden erweitert. Sobald man die Grundlage geschaffen hat, eine Fläche auszuleuchten, kann man nicht nur die Warenträger lokalisieren, sondern auch andere Dinge wie Transportwege. Die Basis ist bereits vorhanden, und man kann das System nach Bedarf erweitern. Das ist eine wichtige Lektion: Es ist oft sinnvoll, mit einem speziellen Use Case zu starten und das System dann schrittweise zu erweitern.
Marcel, hast du noch etwas aus der Praxis, das du mitgeben möchtest?
Marcel
Ja, ich wollte genau das Thema aufgreifen, das Timm erwähnt hat. Es ist unglaublich, wie einfach es ist, die Ausleuchtung der Fläche zu starten. Das Team von SICK bringt einfach ein paar Stative mit Antennen mit, stellt sie im Raum auf, und innerhalb von zwei Stunden ist alles erledigt. Als wir damit begannen, unsere Produktion auszuleuchten, haben wir plötzlich so viele neue Möglichkeiten entdeckt, an die wir vorher gar nicht gedacht hatten. Zum Beispiel haben wir jetzt auch damit begonnen, unser Chemielager zu überwachen. Die Firma SICK bietet einen Handheld-Barcode-Scanner mit integriertem UWB-Tag an. Damit können wir in einer bestimmten Zone etwas scannen und die Information direkt an unser ERP-System übermitteln—zum Beispiel, dass 50 Kilo einer Chemikalie angekommen sind.
Es ist schön zu sehen, welche Potenziale sich damit noch erschließen lassen. Ich glaube, da eröffnen sich viele weitere Use Cases in unterschiedlichen Bereichen, bei denen man Kosten sparen oder neue Erkenntnisse aus den Daten gewinnen kann—sei es in der Produktion, Logistik oder anderen Bereichen. Es ist großartig, datengestützt zu arbeiten. Kompliment auch an eure Firma, denn man braucht die Vision, die Mittel und den Antrieb, um so ein Projekt voranzutreiben. Vielen Dank, Marcel, dass du heute so viele Einblicke aus dem Projekt geteilt hast. Es dient sicherlich als Vorzeigeprojekt für viele andere Kunden, die ähnliche Projekte umsetzen möchten. Ich denke, wir haben sehr gut verstanden, welche Herausforderungen ihr gemeistert habt, warum ihr das Projekt umgesetzt habt und was der Business Case dahinter ist. Vielleicht können wir in einem Follow-up auch über den Return on Investment sprechen, was immer interessant ist. Ansonsten vielen Dank, dass ihr heute dabei wart und so viele wertvolle Einblicke gegeben habt. Jetzt überlasse ich euch das letzte Wort.
Timm
Vielen Dank, Madeleine, ich finde eure Plattform und euer Netzwerk nach wie vor äußerst interessant. Es ist großartig, wie ihr das Ganze aufbereitet und den Interessenten zur Verfügung stellt. Ein großes Dankeschön auch an dich, Marcel, dass du die Insights aus diesem speziellen Projekt geteilt hast. Ich glaube, viele Firmen stehen gerade vor der Herausforderung, manuelle Prozesse zu digitalisieren. Dieses Projekt ist ein großartiges Beispiel dafür, wie einfach die ersten Schritte in Richtung Digitalisierung sein können.
Marcel
Auch von meiner Seite herzlichen Dank, dass ich hier die Gelegenheit hatte, unser Projekt vorzustellen und neue Netzwerke und IT-Use-Cases kennenzulernen. Ich finde es toll, dass wir einen wichtigen Beitrag leisten können, um vielleicht einigen die Scheu vor dem Thema Digitalisierung zu nehmen. Mein Rat ist: Geht es an, wenn ihr manuelle Prozesse habt, die ihr digitalisieren könnt. Wendet euch an die Firma SICK, gerade wenn es um Digitalisierung geht. Probiert es einfach aus—es kostet nichts, und ihr werdet erstaunt sein, welche Möglichkeiten sich bieten. Und was den Return on Investment angeht, können wir uns in einer späteren Folge noch einmal darüber unterhalten, aber ich bin sicher, es wird sich lohnen.
Vielen Dank und euch noch eine schöne Restwoche. Macht’s gut, ciao!
Marcel
Ja, gerne. Tschüss.
Timm
Besten Dank, tschüss!