Professionelle Küchengeräte, die beispielsweise in der Systemgastronomie und von Lebensmittelketten eingesetzt werden, sind im Hinblick auf ihre Digitalisierung und Vernetzung eher »Spätzünder«. Ein sehr früher digitaler Schritt von RATIONAL war 2004 die Einführung von intelligenten Kochsystemen, sogenannten »Combi-Dämpfern«, die autonom garen können – man gibt das gewünschte Garergebnis ein, das entsprechende Produkt wird dann automatisch gegart. Dieses Produkt bildet bis heute die Grundlage für digitalisierte Lösungen in der Gastronomieküche, in der es extrem auf Robustheit, Produktivität, Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit ankommt.
Vision: IOT-PLATTFORM FÜR PROFIGERÄTE
Zentral vernetzt waren diese Geräte allerdings noch nicht, obwohl die Forderungen nach Standardisierung, zentraler Qualitätssicherung und Kostenreduzierung auf Kundenseite immer deutlicher formuliert wurden. Allein RATIONAL hat mehr als 100.000 Geräte weltweit verkauft, die von den RATIONAL-Kunden mit lokalen Desktop-Software-Installationen und den entsprechenden Medienbrüchen gemanagt werden konnten. Eine Verwaltung dieser Geräte ohne Medienlücken durch ein modernes IoT-System, das den Kunden Funktionen wie Fernsteuerung, Update-Rollouts over the air, Fern-Monitoring und -Reporting bereitstellt, stand deshalb als Vision ganz am Anfang des Projekts.
Product Discovery
Vor diesem Hintergrund beauftragte RATIONAL 2015 ein Projektteam mit der Konzeption und Realisierung von ConnectedCooking, einer globalen, cloudbasierten IoT-Plattform für Profiküchen. Zunächst aus dem Produktmanagement getrieben, haben sich Fachexpert:innen aus dem Service, der Anwendungsforschung und der Entwicklung zusammengesetzt, um die grundsätzlichen Anforderungen zu entdecken – in offenen, kreativen Sessions und Workshops mit echten Kund:innen im Sinne einer agilen Product Discovery.
Auch über den gesamten weiteren Projektverlauf hinweg wurden Kunden einbezogen, Live-Tests mit ersten Versionen des Systems lieferten wichtige Inputs. Innerhalb der RATIONAL-Welt war kundennahe Entwicklung bereits ein etabliertes Prinzip, das nun durch agile Methoden weiter ausgebaut wurde: Neue Funktionen werden nicht in Gänze ausentwickelt, sondern so früh wie möglich durch Kunden erprobt und bewertet. Für ConnectedCooking ist Agilität bis heute elementar und ein »Erfolgsrezept« – um im Thema zu bleiben …
Zielsetzung
Im Fokus stand zunächst die Vereinfachung bestehender Abläufe durch die digitale Plattform – Updates einspielen, die Dokumentation automatisieren, Geräte managen und warten sowie optimal auslasten. Die IoT-Plattform muss also Basisfunktionen wie Nachrichtenaustausch (Machine-to-Machine), Fernprogrammierung, -wartung und -steuerung, Remote-Monitoring und -Fehlerkontrolle bereitstellen.
Im zweiten Schritt ergaben sich aus der Digitalisierung dann weitere Ideen – Menüs auf Grundlage der Geräte und gewünschter Zutaten kalkulieren und planen, Feedbackkanäle mit den Kunden eröffnen oder das Kochen als Service anbieten. Einige dieser Möglichkeiten sind bereits realisiert und andere werden noch evaluiert.
Umsetzung: ARBEITSTEILUNG ZWISCHEN RATIONAL UND INOVEX
Für die Vernetzung der Geräte wurde einerseits eine Anpassung der Gerätesoftware benötigt (Embedded Linux), zum anderen die Vernetzungsplattform selbst, die sich wiederum aus einer Cloud-Backend- und einer Cloud-Frontend-Komponente zusammensetzt. Die Geräte-Software hat RATIONAL selbst angepasst, für die Cloud-Komponenten und den Betrieb der Plattform ist inovex als Entwicklungspartner beauftragt worden.
Features und Kundennutzen
Der Service ConnectedCooking ist nun seit rund 4 Jahren produktiv. Durch die digitalen Zugriffsmöglichkeiten auf die Geräte können die Zustände der Geräte erfasst, neue Rezepte und Garmethoden automatisch auf die Geräte aufgespielt und Servicemeldungen an Servicepartner gesendet werden. Für die spätere Kontrolle werden alle Garvorgänge automatisch in eine standardisierte, HACCP-konforme Dokumentation übernommen, was den Gerätekunden Hygienesicherheit garantiert. Durch den Zugriff über die Cloud ist außerdem ein Management mehrerer Küchen an unterschiedlichen Standorten problemlos möglich geworden.
Große Kunden mit hohen Stückzahlen an installierten Gargeräten können heute also per Knopfdruck eine neue Software oder ein neues Rezept an ihre Geräte übertragen. Vor ConnectedCooking war dies nur per USB-Stick möglich. Allein diese Funktion bedeutet eine deutliche Kostenreduktion: Für einen Kunden, der in UK ca. 800 Geräte betreibt, beliefen sich die Updatekosten pro Jahr vorher auf ca. 120.000 €. Zusätzlich ergeben sich weitere 125.000 € Einsparungen durch den Einsatz des Fernwartungsmoduls in ConnectedCooking. Rund 25 % der Service Calls werden über die Ferne bearbeitet und in ca. 40 % der Einsätze ist der genaue Grund des Fehlers durch die automatische Meldung bereits vor dem Einsatz des Technikers bekannt. Nicht nur weil die Features von ConnectedCooking bislang für die Kunden ohne Aufpreis angeboten werden, hat RATIONAL durch die IoT-Plattform die Kundenzufriedenheit und -bindung signifikant steigern können.
Technische Aspekte der IoT-Plattform: MICROSERVICES-ARCHITEKTUR
Die technische Grundlage von ConnectedCooking ist eine MQTT-basierte Plattform, die in ihrer Architektur sehr leichtgewichtig und skalierbar ausgelegt ist. Die Wahl auf MQTT als IoT-Protokoll fiel nach einer umfassenden Betrachtung und Bewertung der zum damaligen Zeitpunkt verfügbaren Protokolle, die sich jeweils durch ihren primären Einsatzzweck und ihre Stärken (und natürlich ihre Schwächen) stark unterscheiden. MQTT ist darauf ausgelegt, auch dann eine gute Leistung zu liefern, wenn die Datenübertragung verzögert abläuft oder die Bandbreite eingeschränkt ist. Nicht ohne Grund ist MQTT heute eines der populärsten Protokolle im Internet of Things.
Auf diesem Messaging-Netz setzen im Sinne einer iterativen, bedarfsgerechten Funktionsentwicklung verschiedene Microservices auf, die den Kunden die entsprechenden Features für ihr individuelles Gerätemanagement bereitstellen. Als User Interfaces hat inovex sowohl intuitiv bedienbare Web Frontends als auch mobile Frontends (iOS und Android) konzipiert und realisiert. Das gesamte Softwaremanagement ist von Projektbeginn an durch Continuous Integration und Continuous Delivery Pipelines vollständig automatisiert.
Die verwendeten Technologien – größtenteils Open-Source-Komponenten – sind einerseits robust und belastbar, bieten andererseits die nötige Flexibilität, um auf zukünftige Anforderungen situativ reagieren zu können. Maßgeblich für alle technologischen Entscheidungen war die Zielsetzung, eine maximal kundenfreundliche Funktionalität und Bedienbarkeit anzustreben.
IoT-Infrastruktur
Für den Betrieb dieser Lösung wurde eine IoT-Infrastruktur benötigt, die ebenfalls von inovex geplant und umgesetzt worden ist. Auf der Infrastruktur werden sowohl der MQTT-Layer als auch die Datenbank-Schicht und der Applikations-Layer betrieben. Wir haben zunächst in einem Architektur-Workshop alle Rahmenparameter und Zielsetzungen miteinander abgestimmt und den Grundriss für eine MQTT-optimierte Betriebsinfrastruktur entworfen. Wichtig war bei der Konzeption, dass die Lösung möglichst leichtgewichtig und bandbreitenschonend funktioniert und Qualitätsmerkmale wie Load Balancing und Hochverfügbarkeit adressiert. Außerdem ist, wie bei jeder modernen Infrastruktur, eine maximale Automatisierung mit CI/CD Pipelines erforderlich, um Deployments und Provisionierungen jeder Art und Größe auf Knopfdruck ausrollen zu können. Mit einer skalierbaren Architektur, die technologisch auf Linux, Terraform, Puppet und Gitlab CI/CD basiert, haben wir diese Leistungsmerkmale passgenau umgesetzt und sind in der Lage, sehr differenzierte Anforderungen zu unterstützen, beispielsweise spezifische Bedürfnisse in Regionen außerhalb von Europa sowie im Zusammenspiel mit Cloud-Anbietern wie etwa mit Terraform und Amazon Web Services China.
Betrieb der Plattform
Die IoT-Plattform wird von inovex seit dem Livegang im Rahmen unserer inovex Cloud Services im DevOps-Modus auf der inovex Cloud betrieben. Das Mandat umfasst das Incident-, Problem- und RCA-Management , Lifecycle- und Konfigurations-Management , die Visualisierung spezifischer Plattform- und Applikations-Metriken, das Backup, Monitoring und Patch-Management sowie die Log-Aggregation. Die Koordination erfolgt über einen von inovex bereitgestellten Operations Manager, der als zentraler Ansprechpartner für den Kunden fungiert, alle Wünsche und Probleme mit ihm bespricht und die Umsetzung der Arbeiten steuert.
Fazit und Ausblick
Die Vision, durch ConnectedCooking eine innovative IoT-Plattform für die Gastronomieküche aufzubauen und global auszurollen, die einen hohen Kundennutzen bereitstellt, konnte dank der agilen Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Team aus Expert:innen von RATIONAL und inovex erfolgreich umgesetzt werden. Während diese Plattform heute noch ausschließlich Geräte von RATIONAL über eine cloud-basierte Lösung vernetzt und dadurch fernwartbar macht, ist ConnectedCooking bereit, auch andere Gerätehersteller zu integrieren. Dabei ist nicht nur die Integration von Geräten für die Zubereitung von Speisen denkbar, sondern auch die Anbindung anderer technischer Ressourcen innerhalb der Wertschöpfungsketten der Gastronomie, beispielsweise Kühlgeräte.
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