Individuelle Kundenwünsche bis zur Losgröße 1 effizient zu erfüllen, stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, haben Systemintegrator neogramm und Busch-Jaeger, der Spezialist für Elektroinstallationstechnik, ihre Expertise gebündelt und eine innovative und zukunftsweisende Losgröße-1-Fertigungslinie entwickelt, die individuelle Einzelstücke mit den Effizienzvorteilen der Serienproduktion vereint. Die innovative Lösung wurde bereits 2020 mit dem Industrie-4.0-Award in der Kategorie „Smart Supply Chain“ ausgezeichnet – verliehen von der Fachzeitschrift Produktion und ROI Management Consulting. Das Projekt zeigt, wie durch intelligente Vernetzung, Digitalisierung und Partnerschaft eine maßgeschneiderte Fertigung wirtschaftlich realisiert werden kann.
Die Partnerschaft
Das Produkt und das Fertigungskonzept standen bereits, als sich Busch-Jaeger und neogramm zum ersten Mal gemeinsam auf die Lösungssuche machten. Kurz zuvor hatten ABB, der Mutterkonzern von Busch-Jaeger, und neogramm gemeinsam im Netzwerk Smart Industries kooperiert, dem Verbund aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen der Metropolregion Rhein-Neckar, in dem gemeinsam anwendungsorientierte Technologieprojekte und effektive Implementierungsverfahren entwickelt werden.
„Das Projekt und die Kooperation mit neogramm hat uns auf ein neues fertigungstechnisches Niveau gehoben. Mit einem technologisch starken Partner konnten wir zukunftsweisende Use Cases erfolgreich weiterentwickeln. Ohne Mehraufwand konnten wir die kundenindividuelle Losgröße 1 in den Serienprozess integrieren“, sagt Aylin Kirli, Busch-Jaeger Elektro GmbH.
Die Herausforderung
Busch-Jaeger hat mit dem neuen Busch-tacteo® KNX Sensor ein maßgeschneidertes Bedienelement für intelligente Gebäude entwickelt. Die Besonderheit: Kunden können ihr Produkt individuell konfigurieren, produziert wird ab Losgröße 1. Während Busch-Jaeger bereits über Produkt, Design und Produktionskonzept verfügte und das ABB Forschungszentrum ein innovatives Konzept lieferte, fehlte noch ein Partner für die praktische Umsetzung. ABB brachte neogramm ins Spiel. Als Systemintegrator mit Expertise in IIoT, Automatisierung und Bildverarbeitung setzte neogramm die Vision des Forschungszentrums in eine praxisreife Lösung für die Produktion um.
Das Produkt stellt besondere Anforderungen an die Fertigungslinie. Nur ein ganzheitliches, durchgehend auf Digitalisierung basierendes Konzept kann die passende Antwort auf diese Herausforderung bieten. In Zusammenarbeit mit den Beteiligten wurde an dieser Stelle wertvolle Beratung durch neogramm geleistet. Wie werden Daten vereinheitlicht, übertragen und genutzt? Welche softwareseitigen Lösungen sind schon vorhanden, welche sollen zum Einsatz kommen?
Die Einzelfertigung auf industriellem Niveau zu Serienkonditionen ist insbesondere hinsichtlich Effizienz, Transparenz bzw. Nachvollziehbarkeit der Fertigung eine komplexe Aufgabe. Neben diesem Kernbereich darf auch die Einbindung in den kompletten Betrieb nicht vernachlässigt werden: Auftragsabwicklung, Produktionssteuerung, Beschaffung, Logistik, ERP, MES und SCADA-Ebene. Die Kommunikationsinfrastruktur soll besonders engmaschig gestrickt werden, um das Fertigungssystem mit allen Modulen bei jeder neuen Produktvariante automatisch konfigurieren zu können. Ein ehrgeiziges Ziel, das mit geeigneten technischen Mitteln und Standards systematisch umgesetzt werden kann.
Die erfolgreiche Herstellung dieses Geräts beantwortet eine zentrale Frage: Wie lässt sich ein individualisiertes Produkt bis zur Losgröße 1 in meiner Branche wettbewerbsfähig produzieren? Oder, allgemeiner betrachtet: Wie gelingt der Umbruch von „Mass Manufacturing” zu “Mass Customization“? Um dies zu erreichen, mussten entscheidende Aspekte in diesen drei Bereichen analysiert werden: Modularität, Interoperabilität und Durchlässigkeit.
Die Lösung
Um eine reibungslose, sichere Kommunikation aller Maschinen des Fertigungssystems zu ermöglichen, wird das Produktionsprotokoll OPC UA (OPC Unified Architecture) der OPC Foundation verwendet und Teile eines zukunftweisenden, von ABB erstellten Informationsmodells (BJE TCS OPC UA Information Model) berücksichtigt. Das ermöglicht die Vernetzung komplexer Maschinenbestandteile der Fertigung und die Erstellung digitaler Zwillinge. Die realen Maschinen in der Fabrik werden damit einfach zum gewünschten Produktionssystem zusammengefügt. neogramm lieferte zudem eine Software für ABB zenon zur Erfassung, Verarbeitung und Visualisierung von Produktionsdaten, welche die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine sowie zwischen den Produktionsmaschinen bildet. Bildverarbeitungslösungen ermöglichen die Automatisierung und Qualitätssicherung von Produktionsschritten.
Modularität: Flexibles Design für Qualität und Effizienz in der Fertigung
Ein flexibles Grundgerüst spiegelt das zentrale Gestaltungsprinzip wider: die Modularität. Mit der Betriebsdatenmanagement-Lösung ABB zenon konnte neogramm eine zukunftsorientierte Service-Bus-Architektur umsetzen, die für die Zielerreichung von entscheidender Wichtigkeit ist. Wie lässt sich zum Beispiel sicherstellen, dass verschiedene Produktkonzepte bei gleichbleibend hoher Qualität umgesetzt werden? Dies gelingt, indem automatisierte Arbeitsschritte, die ihre Anweisungen digital empfangen, mit optischen Prüfungen verknüpft werden. Währenddessen werden die Werkstücke eindeutig gekennzeichnet und eingelesen, um eine präzise Identifikation und Zuordnung im Produktionsprozess zu gewährleisten. Gleichzeitig werden laufend Kameraprüfungen des Zustands und der Verarbeitung des aktuellen Werkstücks durchgeführt.
Interoperabilität: Flexible Anpassung und nahtlose Integration im Produktionsprozess
Im Zusammenspiel der Komponenten werden in der Anwendung Erfahrungen aus der Automation, industriellen Bildverarbeitung und digitalen Integration miteinander verwoben. Die prinzipiell erweiterungsfreundliche Architektur eröffnet darüber hinaus Möglichkeiten der Skalierung und späterer Anpassungen im Prozess. Dahinter steht ein generisches Informationsmodell. Auch der Wechsel oder die Neuaufstellung von Maschinen kann ohne Umstände vorgenommen werden.
Durchlässigkeit: Optimierte Transparenz und Rückverfolgbarkeit in der Produktionskette
Das ausgewogene und fortschrittliche Design auf Basis der gewählten Softwarearchitekturen trägt neben der besonderen Flexibilität auch zur hohen Effizienz bei. Dazu sind nachvollziehbare und ineinandergreifende Ansätze gefunden worden. Vor allem die Daten- und Rezeptverwaltung ist nicht an der einzelnen Maschine, sondern ‚eine Ebene höher‘ angesetzt worden. Daten können auf diese Weise referenziert, gespeichert und nachvollzogen werden (Traceability, Rückverfolgbarkeit). Jeder Arbeitsschritt bleibt überprüfbar – von der Erfassung der Bestelldaten bis zur abschließenden Qualitätsprüfung und Verpackung. Eine eng am Arbeitsprozess gehaltene Werkerführung über ein intuitives Human-Machine-Interface rundet das Gesamtsystem ab. Durch neogramms Unterstützung konnten so Konzept, Prozess und Steuerung zielführend umgesetzt und die Qualitätsansprüche befriedigt werden.
Die Auszeichnung
Die Kooperation hat außerordentlich innovative und erfolgreiche Ergebnisse hervorgebracht. Gemeinsam wurden Busch-Jaeger und neogramm für den Industrie 4.0 Award 2019 nominiert. Im Januar 2020 folgte die Auszeichnung der Lösung in der Kategorie „Smart Supply Chain“ für die konsequente Digitalisierung des Produktions- und Bestellprozesses des Busch-tacteo® Glassensors. Seit 2013 zeichnen die Fachzeitschrift Produktion und ROI Management Consulting jedes Jahr die innovativsten Lösungen im Bereich Smart Factory or Supply Chain Management aus. Damit setzen sie die Messlatte für die besten Digitalisierungsprojekte in der Industrie.